- Gliederung
- Einleitung
- Standesrecht und Zivilrecht
- Arbeitnehmer
- Freie Mitarbeit
- Der fixierte Sozius und die unechte Sozietät
- Gemeinsame Probleme
E. Der fixierte Sozius und die unechte Sozietät
I. Begriffe und Erscheinungsformen
An der Grenze zwischen Arbeits- und Gesellschaftsrecht haben sich in der Praxis zwei eigentümliche Rechtsfiguren herangebildet, nämlich der "fixierte" Sozius und die "unechte" oder "Schein-"Sozietät. Bevor die rechtliche Einordnung dieser Figuren untersucht werden kann, sind zunächst die Begriffe zu klären. Wie wenig Klarheit diesbezüglich herrscht, beweist das Stellenangebot eines Anwalts aus Köln, das jüngst in der NJW erschienen ist: "RA bietet angestelltem Volljuristen mit Möglichkeit der Zulassung als Rechtsanwalt freie Mitarbeit als Sozius" (1). So werden auch die Begriffe "fixierter Sozius" und "unechte Sozietät" teilweise synonym gebraucht (2). Man sollte aber zwischen beiden Erscheinungsformen unterscheiden.
Die Sozietät zwischen Rechtsanwälten wird in § 28 Rili beschrieben. Gemäß § 28 I Rili erfordert die Sozietät zwischen Rechtsanwälten eine gemeinsame Kanzlei und grundsätzlich die gemeinschaftliche Entgegennahme der Aufträge und Entgelte. Nach § 28 II Rili dürfen nur in Sozietät oder "in anderer Weise zur gemeinschaftlichen Berufsausübung" verbundene Rechtsanwälte gemeinschaftliche Drucksachen (z.B. Briefbogen, Vollmachten), Stempel und Praxisschilder verwenden. (3)
Die Rechtsanwälte einer Sozietät haben nicht nur ein gemeinsames Büro (4), sondern üben den Beruf im Interesse und auf Rechnung aller Sozien unter Benutzung ihrer gemeinsamen Einrichtungen gemeinsam als eine Einheit aus. Ihr Rechtsverhältnis ist jedenfalls nach außen entsprechend den Vorschriften über die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft zu bestimmen. (5).
Sowohl der "fixierte" als auch der "unechte" Sozius erscheinen nach außen hin als Sozien der Anwaltskanzlei, in der sie arbeiten, insbesondere werden sie wie ein Sozius auf den Drucksachen, Stempeln und Praxis- schildern der Kanzlei aufgeführt. Gemeinsam ist beiden allerdings auch, dass sie regelmäßig ein der Höhe nach festes Entgelt erhalten.
1. Der fixierte Sozius
Der fixierte Sozius zeichnet sich dadurch aus, dass er im wesentlichen gleichberechtigtes Mitglied der Sozietät sein soll, in der er arbeitet. Insoweit spiegelt der Eindruck, der sich aus der Außensicht ergibt, das im Inneren gewollte Verhältnis in etwa wider. Der fixierte Sozius erhält aber keinen Gewinnanteil wie die anderen Sozien, sondern ein der Höhe nach festes Entgelt.
Meist handelt es sich hierbei um eine vorläufige Regelung; später soll der zunächst "fixierte" Sozius dann auch am Gewinn beteiligt werden. Es soll sogar üblicherweise so sein, dass ein junger Rechtsanwalt in einer Anwaltsgemeinschaft zunächst unter Vereinbarung einer festen Vergütung aufgenommen wird (6).
Vor der Öffnung der Sozialversicherung für die freien Berufe soll ein wirtschaftliches Interesse des fixierten Sozius an dieser Gestaltung bestanden haben, weil er sich so versicherungsrechtliche Anwartschaften, die durch die Referendarzeit begründet wurden, soll erhalten haben können (7). Nachdem in den meisten Bundesländern Rechtsanwaltsversorgungswerke eingerichtet worden sind (8), dürfte dieser Grund heute praktisch keine Rolle mehr spielen. Häufig will man durch diese Gestaltung auch dem Umstand Rechnung tragen, dass der "Jung"-Sozius (zunächst noch) nicht in gleicher Weise zum wirtschaftlichen Ergebnis der Sozietät beitragen kann, wie die "Alt"-Sozien.
Ob und gegebenenfalls in welcher Weise der fixierte Sozius auch an einem möglichen Verlust der Sozietät teilhaben soll, hängt von der individuellen Ausgestaltung der Vereinbarung ab. Diesbezüglich gilt die Empfehlung, dass die Beteiligten angesichts schwinden- der Honorareinnahmen und steigender Anwaltszahlen diesen Fall bedenken und in ihrer Vereinbarung ausdrücklich und eindeutig regeln sollten (9).
2. Die unechte Sozietät
Der "unechte" Sozius soll nach der Auffassung der Beteiligten Angestellter oder "freier" Mitarbeiter sein (10).
Auf dem Praxisschild und im Briefkopf erscheint aber sein Name derart, dass nicht mit den Verhältnissen vertraute Dritte, vor allem auch Mandanten, meinen, es mit einer Sozietät zu tun zu haben. Auf diese Weise wird der Schein einer Sozietät erweckt, in der der Betreffende Mitglied ist.
Grund für ein solches Auftreten nach außen kann beispielsweise sein, dass der Prinzipal dadurch seine Anerkennung ausdrücken will (11). Möglicherweise soll damit auch dem Publikum eine zumindest zahlenmäßige Stärke demonstriert werden. Auch der Beschäftigte drängt oftmals auf eine solche Maßnahme, "um sich einen Namen zu machen", d.h. seine Bekanntheit im Publikum, insbesondere für den Fall des Ausscheidens zu erhöhen (12). Möglicherweise spekuliert er auch darauf, durchsetzen zu können, dass er im Falle des Ausscheidens wie ein Sozius behandelt wird (vergl. § 29 I Rili).
II. Der fixierte Sozius - Rechtsnatur seines Verhältnisses zu den übrigen Sozien
Der fixierte Sozius ist eine Rechtsfigur in der Grauzone zwischen Dienstvertrags- bzw. Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht. Die Qualifikation seines Verhältnisses zu den übrigen "echten" Sozien (bzw. zum ehemalig alleinigen Kanzleiinhaber) ist fraglich.
Im folgenden soll zunächst die zivilrechtliche Rechtsnatur dieses Verhältnisses betrachtet werden, bevor auf die Fragen der Sozialversicherungspflicht und der steuerrechtlichen Qualifikation eingegangen wird.
1. Zivilrechtliche Qualifikation
a) Grundsätze
Dass der fixierte Sozius verpflichtet ist, Dienstleistungen für die Kanzlei zu erbringen, steht der Annahme einer (rein) gesellschaftsrechtlichen Grundlage dieser Verpflichtung nicht entgegen, wie sich aus § 706 III BGB ergibt (13). Schaub nimmt sogar an, dass, wenn die Partner eine Personengesellschaft sind, diese Verpflichtung regelmäßig auf dem Gesellschaftsrecht beruhe. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Gesellschafter bei der Zwecksetzung und der Durchführung der Arbeitsaufgabe mitwirke. (14)
Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass ein Gesellschafter aufgrund eines Dienst- oder Arbeitsvertrages für die Gesellschaft Dienste erbringt oder Arbeit leistet (15). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den zugrundeliegenden vertraglichen Abreden (16). Entscheidend für den arbeitsrechtlichen Charakter der auf Arbeit gerichteten Verpflichtung ist nach Molitor, dass sie nicht in dem Gesellschaftsvertrag als gesellschaftliche Verpflichtung nominiert ist (17). Mangels ausdrücklicher und klarer Abreden zwischen den Parteien kann diese Entscheidung im Einzelfall schwierig sein. Dann sind alle Umstände zu berücksichtigen (18).
Inwieweit im Zweifel die von Schaub angenommene Regelvermutung gilt, soll an dieser Stelle nicht näher erörtert werden (19).
Bezüglich eines OHG-Gesellschafters vertritt das LAG Baden-Württemberg allerdings die Auffassung, dieser könne "zweifelsfrei" nicht zugleich Arbeitnehmer der Gesellschaft sein (20).
Problematisch ist nämlich primär nicht, ob der fixierte Sozius in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis neben einem Gesellschaftsverhältnis steht, sondern ob er überhaupt in einem Gesellschaftsverhältnis zu übrigen Sozien steht.
Die Unterscheidung zwischen Dienst- bzw. Arbeitsvertrag und Gesellschaftsvertrag ist im Grundsatz einfach:
Dienst und Arbeitsvertrag sind als gegenseitige Austauschverträge auf Austausch von Arbeitsleistung gegen Entgelt gerichtet. Die Partner eines Gesellschaftsvertrages wirken dagegen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes zusammen. Beim Arbeitsverhältnis besteht ein Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Gesellschafter sind dagegen einander gleichgeordnet. (21).
Dies gilt unbeschadet dessen, dass gewisse Weisungsbefugnisse der Gesellschaft in bezug auf die Ausführung der Tätigkeit bestehen können (22).
Trotz dieser klaren Grundunterscheidung kann die Abgrenzung im Einzelfall schwierig sein (22).
Es sind bei dieser Abgrenzung alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen (23).
Schon nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts schließt auch eine Regelung der Gewinn- und Verlustbeteiligung, bei der ein Geschäftsteilhaber ein festes Entgelt erhält und im Innenverhältnis am Gewinn und Verlust keine Anteil hat, den Bestand eines Gesellschaftsverhältnisses nicht aus (24). Hachenburg hat demgegenüber eingewandt, in einem derartigen Falle fehle es an der Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks; derjenige, der das feste Entgelt erhalte, habe keine andere Stellung als jeder, der durch Gewährung von Kapital, Kredit oder Arbeit dem Geschäftsinhaber bei der Erreichung seines Ziels behilflich ist. Er sei diesem gegenüber verpflichtet, nach außen als Gesellschafter aufzutreten; nach innen richteten sich seine Rechte nur nach dem besonderen Verhältnis; Gesellschafterrechte könne er nicht haben. (25).
Die Rechtsprechung des Reichsgerichts hat dieser Kritik in gewisser Weise Rechnung getragen. Nach Ansicht dieses Gerichts stellt eine derartige Regelung nämlich einen Umstand dar, der gegen die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses spreche (26). Zwingender Grund für die Annahme einer Gesellschaft sei aber, dass der Betreffende wie die anderen Teilhaber unbeschränkte Vertretungsmacht hat und auch grundsätzlich in gleicher Weise zur Geschäftsführung berechtigt ist, auch wenn er den geschäftlichen Maßnahmen eines anderen Teilhabers nicht widersprechen darf (27).
Dem ist grundsätzlich zuzustimmen.
Ist der Beteiligte, der ein Fixum erhält, in gleicher Weise wie die anderen Beteiligten an der Geschäftsführung des Unternehmens beteiligt und vertritt es wie diese nach außen, so kann man nicht sagen, dass er lediglich deren Zwecke mit verfolgt, sondern er ist in gleicher Weise wie diese sowohl an der Festlegung als auch an der Konkretisierung der Unternehmensziele beteiligt.
Er verfolgt bei seiner Tätigkeit für das Unternehmen also keine fremden Zwecke, sondern solche, die er in gleicher Weise wie die übrigen Beteiligten gesetzt hat. Er verfolgt also gemeinsame Zwecke.
Je mehr aber seine Geschäftsführungsbefugnis gegen- über der der anderen eingeschränkt ist, desto weniger sind die verfolgten Zwecke von ihm gesetzt und desto mehr muss man sie als ihm fremd ansehen.
Es gibt dann eine Grenze, hinter der aus der grundsätzlichen Gleichordnung der Beteiligten eine Über- und Unterordnung wird und ein Gesellschaftsverhältnis daher nicht mehr angenommen werden kann.
Diese Grenze kann nur unter Berücksichtigung der Um- stände des Einzelfalls gezogen werden, wobei aber zu beachten ist, dass die Vereinbarung eines Fixums grundsätzlich gegen die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses spricht, weil das Gewinninteresse ungleich ist.
b) Besonderheiten beim fixierten Sozius
Die Rechtsanwaltssozietät ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (28). Fraglich ist, ob der fixierte Sozius wirklich Gesellschafter der Sozietät ist, die nach außen hin den Eindruck einer einheitlichen Gesellschaft erweckt.
Legt man den zutreffenden Maßstab des Reichsgerichts an, so muss man die Frage dann bejahen, wenn der fixierte Sozius in gleicher Weise zur Geschäftsführung der Sozietät berechtigt ist, wie die anderen Sozien. Die gleiche Vertretungsmacht hat er ohnehin aufgrund des Eindruckes, der nach außen hin erweckt wird.
Das Publikum sieht die Rechtsanwaltssozietät regelmäßig als Einheit an (29). Regelmäßig schließt der Mandant den Vertrag mit Wirkung für und gegen sämtliche an der Sozietät beteiligten Anwälte ab (30). Diese sind demgemäß als Gesamtschuldner zu den aus dem Anwaltsvertrag sich ergebenden Leistungen verpflichtet (31). Die geleistete Arbeit erscheint als Tätigkeit der beteiligten Rechtsanwälte in ihrer gesellschaftlichen Verbundenheit (32). Der Gesellschaftszweck der Sozietät erstreckt sich auf die Betreuung der Mandanten. Die Tätigkeit des einzelnen Anwalts gegenüber dem Mandanten ist ein Akt der Geschäftsführung.
Regelmäßig liegt Einzelgeschäftsführung vor. Diese ist aber in die Organisation der Sozietät "eingebettet". Die Sozietät kann namentlich die eingehenden Mandate aufteilen, über die Annahme oder Beendigung eines Mandats entscheiden und die gegenseitige Vertretung organisieren. Vor allem wird von ihr auch eine gewisse Organisationsleistung im Interesse des Mandanten erwartet, vor allem die Sorge dafür, dass jede Sache dem hierfür geeigneten Mitglied der Sozietät übertragen und für die Betreuung des Mandats auch bei Ausfall dieses Anwalts gesorgt wird und dass eine gegenseitige Beratung erfolgt. (33).
Das Sozietätsverhältnis ist damit durch eine Geschäftsführungsregelung gekennzeichnet, die teilweise Einzelgeschäftsführung, teilweise aber auch ein Zusammenwirken der in der Sozietät verbundenen Anwälte vorsteht (34).
Lublasser hat den fixierten Sozius dann nicht als Arbeitnehmer angesehen, wenn er frei ist, ein Mandat anzunehmen oder abzulehnen, sachliche Maßnahmen nach seinem Ermessen treffen kann und frei seine Arbeit einteilen kann, abgesehen von der der selbstverständlichen Bindung durch Termine und Sprechstunden (35). Ich meine, dass es nach dem oben Dargelegten für die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses auch aus- reicht, dass über diese Punkte gemeinsame, gegebenenfalls auch mehrheitliche Entschlüsse gefasst werden, soweit man sie nicht dem Belieben des einzelnen Sozius überlässt.
Wenn also der Einfluss des fixierten Sozius auf die Führung der Kanzlei und die Erledigung ihrer Mandate gleich dem Einfluss der übrigen Sozien ist und er auch ein ihnen gleiches Selbstbestimmungsrecht genießt, dann ist er Gesellschafter. Im Zweifelsfall ist wegen der noch darzulegenden Haftung im Außenverhältnis (36) allerdings davon auszugehen, dass der fixierte Sozius die gleichen Mit-, Selbstbestimmungs- und Kontrollrechte haben soll wie die übrigen Gesellschafter, da nicht angenommen werden kann, dass er ohne diese Rechte ein derartiges Risiko eingeht (37). Der fixierte Sozius ist also Gesellschafter der Sozietät (38). Sein Unternehmerrisiko ist allerdings regelmäßig begrenzt (39).
Es kann auch nicht angenommen werden, dass neben diesem Gesellschaftsverhältnis ein Arbeitsverhältnis besteht, weil typischerweise der Hauptbeitrag der Sozien zur Förderung der Sozietät in gerade ihrer anwaltlichen Tätigkeit liegt.
Je mehr die Mit- und Selbstbestimmung des fixierten "Sozius" aber eingeschränkt ist, desto näher liegt die Annahme, dass er in Wirklichkeit in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis steht, also nur ein unechter Sozius ist.
Felix berichtet, dass die Jung-Sozien im Erst- oder Zweitjahr regelmäßig unter der internen Aufsicht eines Senior-Anwalts und in einem Anweisungsverhältnis ständen (40). Trifft dies zu, dann sind die Betreffenden zumindest für diese Übergangsphase Arbeitnehmer und keine Gesellschafter (41), also unechte und nicht fixierte Sozien.
2. Sozialversicherungspflicht und steuerrechtliche Qualifikation
Der mitarbeitende Gesellschafter einer bürgerlich- rechtlichen Gesellschaft ist selbst handelnder Unternehmer (42) und als solcher nicht abhängig Beschäftigter im Sinne des Sozialversicherungsrechts. Er ist also nicht sozialversicherungspflichtig (43). Im übrigen tendiert das Bundessozialgericht ohnehin dazu, einem in einer Rechtsanwaltskanzlei mitarbeitenden Anwalt im Zweifel als selbständig anzusehen (44).
Schließen sich Angehörige eines freien Berufs zu gemeinsamer Ausübung dieses Berufs zusammen, so entsteht hierdurch zwischen ihnen kein Arbeits- oder Dienstverhältnis im steuerrechtlichen Sinne (45). Dies gilt grundsätzlich auch für den Anwalt, der zunächst gegen ein festes Entgelt in eine Anwaltsgemeinschaft aufgenommen wird (46). Ein im Rahmen einer Anwaltsgemeinschaft tätiger Rechtsanwalt ist auch umsatzsteuerlich kein Unternehmer (47).
Dies gilt auch für den fixierten Sozius (48).
III. Rechtsfragen der unechten Sozietät
Hinsichtlich der unechten Sozietät ist zunächst deren Rechtsnatur und die daraus resultierende Stellung der Beteiligten klärungsbedürftig. Auch ihre standesrechtliche Zulässigkeit ist zweifelhaft.
Zunächst soll (unter 1) die Rechtsnatur, dann (unter 2) die standesrechtliche Zulässigkeit der unechten Sozietät untersucht werden.
1. Rechtsnatur der unechten Sozietät
Bei der Klärung dieser ist zunächst das Außenverhältnis zu betrachten, weil sich hieraus möglicherweise Konsequenzen für das Innenverhältnis ergeben.
a) Das Außenverhältnis
Nimmt bei einer Sozietät einer der Anwälte ein ihm angetragenes Mandat an, so handelt er dabei regelmäßig namens der Sozietät, d.h. er verpflichtet nicht nur sich, sondern auch seine Sozien (49). Das gilt, soweit es auf das Außenverhältnis zum Mandanten ankommt, auch dann, wenn ein "Sozius" im Innenverhältnis lediglich gegen festes Gehalt angestellt war (50). Haben die beteiligten Anwälte nämlich durch gemeinsames Praxisschild, Briefbögen, Stempel usw. nach außen hin den Anschein einer Sozietät erweckt, so müssen sich alle Anwälte an diesem von ihnen gesetzten Rechtsschein festhalten lassen, auch wenn zwischen ihnen nur ein Anstellungsverhältnis besteht (51). Denn es erscheinen alle Rechtsanwälte als Mitglieder der Sozietät; sie erzeugen gegenüber dem Rechtsverkehr den Anschein, dass der handelnde Anwalt sie sämtlich vertritt (51).
Wegen der Vereinbarung gemeinsamen Handelns nach außen, sollen alle beteiligten Anwälte im Außenverhältnis sogar Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft sein und es soll nicht bloß eine Scheingesellschaft vorliegen (52).
Alle beteiligten Anwälte, einschließlich des "unechten" Sozius haften dem Mandanten auf Schadensersatz, auch wenn nur der Anwalt, der die Sache des Mandanten bearbeitet, den Schaden verschuldet hat (53). Der unechte Sozius haftet also auch für die Fehler seines Prinzipals.
b) Das Innenverhältnis
Als bloß angestellter Anwalt hätte der unechte Sozius keine oder nur wenige Einwirkungsmöglichkeiten auf Führung und Bearbeitung der Mandate in der Kanzlei, in der er arbeitet (54). Schon Goldschmidt hat aber die Auffassung vertreten, unbeschränkte Verantwortlichkeit sei nur soweit gerechtfertigt, wie die Möglichkeit eigenen Handelns oder doch eigener Aufsicht reicht (55). Dies legt die Frage nahe, ob und inwieweit gesellschaftsrechtliche Normen auch im Innenverhältnis Anwendung finden müssen.
Steindorff meint, wer nach außen als Gesellschafter auftritt, müsse sich auch ein Innenverhältnis mindestens in wesentlichen Beziehungen gesellschaftsrechtlicher Art organisieren, was keiner näheren Begründung bedürfe. Damit dränge sich auf, dass die Außengesellschaft auch Innengesellschaft sein müsse. (56).
Zuck meint, die unechte Sozietät sei eine gewisse Camouflage gegenüber dem rechtsuchenden Publikum, das, durch die Außensozietät geblendet, den wahren Prinzipal nicht erkennen könne und häufig auch gar nicht erkennen solle. Er fordert, dass es eigentlich standesrechtlich auch ausgeschlossen sein sollte, sich über Angestellte auf dem Kanzleischild und -briefbogen mit fremden Federn zu schmücken. (57). Angesichts dessen liegt es nicht fern, die gemeinsame
Kanzlei und die grundsätzlich gemeinschaftliche Entgegennahme der Aufträge und Entgelte nicht nur als Voraussetzung für die Qualifikation einer Verbindung unter Rechtsanwälten als Sozietät, sondern auch als (zwingende) Folge einer (Außen-) Sozietät anzusehen (vergl. § 28 I Rili).
Steindorff gelangt zu dem Ergebnis, dass im Falle der unechten Sozietät die Außengesellschaft regelmäßig eine Innengesellschaft einschließe (58). Neben den gesellschaftsrechtlichen würden keine gleichzeitigen arbeits- oder dienstvertraglichen Beziehungen vorliegen (59). Die generelle Anwendung von Arbeitsrecht und damit die Arbeitnehmereigenschaft sei auch von den Rechtsfolgen her für "sozietätsangehörige" Rechtsanwälte nicht angemessen (60). Er hält also für Außensozietäten auch im Innenverhältnis nur die gesellschaftsrechtliche Betrachtung für angemessen (61).
Folgt man Steindorff, so hätte also der unechte Sozius die Stellung eines echten Gesellschafters und unterschiede sich vom fixierten Sozius nur dadurch, dass die Beteiligten dies (zunächst noch) nicht richtig erkannt haben. Es wäre dann zu erwägen, inwieweit die Parteien bei Erkennen der "wahren" Rechtslage eine Vertragsanpassung vornehmen oder kündigen können.
Demgegenüber meint allerdings Martens, die Gesellschafterhaftung sei ohne wesentliche Bedeutung. Sie stelle lediglich eine Belastung des Mitarbeiters dar und könne deshalb seine mit dem Beschäftigungsverhältnis verbundene Abhängigkeit nicht kompensieren, allenfalls verschärfen. (62).
Die Lösung von Steindorff hat den Vorzug, dass durch die Angleichung von Außen- und Innenverhältnis die sich aus dem Außenverhältnis ergebenden Haftungsgefahren durch gesellschaftsrechtliche Mitwirkungs- und Kontrollrechte adäquat kompensiert werden. Der unechte Sozius verliert aber nicht nur den Schutz durch das Arbeitsrecht (63), sondern auch den der Sozialversicherung (64).
Man darf auch nicht außer acht lassen, dass der unechte Sozius nicht ohne oder gar gegen seinen Willen in diese Stellung gebracht wird. Seine Haftung im Außenverhältnis ist Folge des auch von ihm (mit-)veranlaßten Anscheins. Angesichts der oben dargestellten (65), klaren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss er sie in Rechnung stellen, wenn er darin einwilligt, auf Drucksachen, Stempeln und dem Kanzleischild wie ein Sozius aufgeführt zu werden. Er geht also bewußt ein Risiko ein, wenn er sich nicht gleichzeitig entsprechende Mitwirkungs- und Kontrollrechte einräumen lässt (66).
Wenn er in die Zuverlässigkeit des Prinzipals ein solches Vertrauen setzt, dass er dieses Risiko in Kauf nimmt, dann besteht kein Anlass ihm gesellschaftergleiche oder -ähnliche Rechte einzuräumen, zumal die Beteiligten gerade nicht den (übereinstimmenden) Willen haben, eine (Innen-)Gesellschaft zu begründen. Der unechte Sozius verzichtet vielmehr bewusst auf den entsprechenden Schutz seiner Interessen und ist damit einverstanden, dass der Prinzipal weiterhin "Herr im Hause" bleibt (67).
Auch die Interessen des rechtsuchenden Publikums erfordern nicht die Einräumung einer derartigen Rechtsstellung.
Durch die Kenntnisse und Fähigkeiten des unechten Sozius wird nämlich die Kapazität und Kompetenz der Anwaltskanzlei gesteigert. Der unechte Sozius hat zwar keine Mitbestimmungsrechte, aber die Möglichkeit seine Kenntnisse beratend einzubringen. Insoweit "schmückt sich" die Kanzlei nicht "mit fremden Federn".
Im übrigen vermögen Außenstehende auch bei echten Sozietäten nicht den realen Einfluss und die tatsächliche Macht der einzelnen Sozien zu erkennen. Auch dort vermag ein Sozius den oder die anderen zu dominieren, sei es aufgrund seiner überlegenen Sachkunde oder aus anderen Gründen. Insoweit unterscheidet sich die Situation bei einer unechten Sozietät nur unerheblich von der in einer echten.
Der unechte Sozius bleibt also Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter und erlangt im Innenverhältnis nicht den Status eines Gesellschafters oder eine ähnliche Rechtsposition. Regelmäßig dürfte seine persönliche Abhängigkeit vom dienstberechtigten Anwalt einen solchen Grad erreichen, dass er Arbeitnehmer ist.
Aus dem Dargelegten folgt, dass es sich ein Mitarbeiter angesichts des Haftungsrisikos sehr genau überlegen sollte, ob er nach außen hin als Sozius erscheinen will.
c) Anwendbarkeit des § 14 I Nr. 2 KSchG
Die Vorschriften des ersten Abschnittes des Kündigungsschutzgesetzes gelten nach § 14 I Nr. 2 KSchG nicht in Betrieben einer Personengesamtheit für die durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit berufenen Personen.
Steindorff meint, der unechte Sozius gehöre zu diesem Personenkreis (68). er geht allerdings auch davon aus, dass dieser Gesellschafter sei (69). Dies ist aber nach der hier vertretenen Auffassung gerade nicht der Fall.
Bei den in § 14 I KSchG Genannten muss es sich um Personen handeln, denen organschaftliche Vertretungs- macht zukommt (70). Vom ersten Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes geschützt sind dagegen auch solche Personen, die durch besondere Bevollmächtigung zur Vertretung berufen sind, wie etwa Prokuristen oder Generalbevollmächtigte (71).
Der unechte Sozius erlangt seine Vertretungsmacht dadurch, dass nach außen hin der Anschein einer Sozietät erweckt wird. Seine Vertretungsmacht erscheint nach außen hin also als eine organschaftliche. Im Innenverhältnis hat er aber gerade nicht die Stellung eines Organs oder Organmitgliedes der Sozietät. Für die Frage des Kündigungsschutzes kommt es aber nicht auf das Außen- sondern das Innenverhältnis an. Die Vertretungsmacht des unechten Sozius ist daher keine organschaftliche, sondern gleicht im entscheidenden Innenverhältnis einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht.
Somit findet § 14 I Nr. 2 KSchG auf den unechten Sozius keine Anwendung.
Es dürfte im übrigen auch nicht dem Parteiwillen entsprechen, dass der arbeitsrechtliche Kündigungsschutz des Betreffenden durch die entsprechende Änderung der Drucksachen, Stempel und Praxisschilder in wesentlicher Weise geschmälert wird.
d) Beendigung der unechten Sozietät
Wegen der einschneidenden Rechtsfolgen einer unechten Sozietät wird man den Beteiligten das Recht einräumen müssen, unbeschadet des Fortbestandes des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses die unechte Sozietät jederzeit durch entsprechende Änderung der Drucksachen, Stempel und Praxisschilder zu beendigen.
Die Rechtslage entspricht nämlich der bei einer Prokura, welche nach § 52 I HGB ohne Rücksicht auf das der Erteilung zugrunde liegende Rechtsverhältnis jederzeit widerruflich ist. Dieses Recht steht dem Dienstherrn zum Ausgleich für die umfassende Rechtsmacht, die die Prokura gewährt, zu (72).
Die Vertretungsmacht des unechten Sozius in Bezug auf die Anwaltskanzlei ist vom Umfang her vergleichbar mit der eines Prokuristen in Bezug auf das Handelsgeschäft. Die Gefahren, die jeweils von der umfassenden Vertretungsmacht ausgehen, erfordern es, dass den Vertretenen das Recht zustehen muss, diesen Gefahren umgehend begegnen zu können.
Inwieweit dem unechten Sozius (oder auch dem Prinzipal) aufgrund der Beendigung der unechten Sozietät das Recht zur außerordentlichen Kündigung und ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht wird man nach ähnlichen Kriterien zu beurteilen haben, wie sie bei der Entziehung der Prokura gelten (73). Es kommt hierbei auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an (74).
2. Standesrechtliche Zulässigkeit
Fraglich ist, ob es standesrechtlich überhaupt zulässig ist, dass ein Rechtsanwalt, der Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter sein soll, zusammen mit seinem vermeintlichen Prinzipal (oder seinen Prinzipalen) wie ein Sozius auf gemeinschaftlichen Drucksachen, Stempeln und dem Praxisschild erscheint. Die in § 28 II Rili festgestellte Standesauffassung erlaubt die gemeinschaftliche Verwendung dieser Gegenstände neben Rechtsanwälten in Sozietäten auch "in anderer Weise zu gemeinschaftlicher Berufsausübung verbundenen" Rechtsanwälten (75).
Bedenken gegen diese Regelung werden wegen der "Schwammigkeit" der verwendeten Begriffe (76) und der Haftungsgefahren für den unechten Sozius (77) geltend gemacht. Es ist allerdings nicht ersichtlich, inwieweit unter diesen Aspekten die Interessen der Rechtsuchenden oder der Rechtspflege beeinträchtigt sind. Zuck und Hummel weisen zurecht daraufhin, dass es das eigene Risiko des unechten Sozius ist, sich der Rechtsscheinhaftung auszusetzen (78). Den Interessen der Mandanten ist durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Außenverhältnis (79). hinreichend Rechnung getragen.
Zuck beanstandet, die unechte Sozietät sei eine Camouflage gegenüber dem rechtsuchenden Publikum, das, durch die Außensozietät geblendet, den wahren Prinzipal nicht erkennen könne. Er meint, dass es eigentlich standesrechtlich auch ausgeschlossen sein sollte, sich über Angestellte auf dem Kanzleischild und -briefbogen mit fremden Federn zu schmücken (80). Es ist bereits oben dargelegt worden, dass diese Einwände wohl nicht zutreffend sind (81).
Die unechte Sozietät ist also standesrechtlich entsprechend der in § 28 II Rili festgelegten Standesauffassung zulässig.
IV. Anwendbarkeit der Regelungen in §§ 29 I, 70 II Rili
1. Anwendbarkeit der Regelungen in § 29 I Rili
Zweck und Bedeutung der Regelungen in § 29 I Rili sind bereits beschrieben worden (82).
Zuck und Hummel sind der Auffassung gewesen, diese Regelungen ließen sich nicht auf "andere Formen beruflicher Zusammenarbeit" im Sinne des § 28 II, IV, V Rili anwenden, weil es sich in diesen Fällen nur um eine Scheinsozietät handele, die nur auf Außenwirkung abziele, so dass eine Beteiligung an einer gemeinschaftlichen Praxis, die bei Trennung aufzulösen wäre, gar nicht existiere (83). Danach wäre beim Ausscheiden eines unechten Sozius keine Mandantenbefragung durchzuführen.
Schutzgut der Feststellungen in § 29 I Rili ist aber Freiheit der Wahl des Anwalts durch den Mandanten (84). Dieser sieht aber nur das Außenverhältnis (85). Für ihn erscheint die berufliche Zusammenarbeit der beteiligten Rechtsanwälte unabhängig von deren Innenverhältnis als Sozietät. Dieser schenkt er sein Vertrauen.
Beim Auseinandergehen der Anwälte muss ihm also das gleiche Recht zur freien Wahl des Anwalts, dem er folgen will, eingeräumt werden, wie bei einer echten Sozietät (86).
Es geht bei der Regelung des § 29 I Rili in der durch die neueren Urteile des Bundesverfassungsgerichts gebotenen Auslegung eben nicht um die Verteilung anwaltlicher "Besitzstände" (87).
Was übrigens dem unechten Sozius recht ist, ist dem fixierten Sozius erst recht billig.
2. Anwendbarkeit der Regelungen in § 70 II Rili
Auf die standesrechtliche Unbedenklichkeit der Feststellung in § 70 II Rili wurde bereits hingewiesen (88).
Das OLG Koblenz hat nun entschieden, dass, wenn ein unechter Sozius aus der Kanzlei seines Anstellungsanwalts ausscheidet, dieser für zwei Jahre verpflichtet ist, zu dulden, dass jener am Hause der bisherigen Kanzlei einen Hinweis auf seine neue Kanzlei anbringt (89).
Dieser Entscheidung ist zuzustimmen. Die Regelung in § 70 II Rili soll es dem Mandanten erleichtern, mit seinem bisherigen Anwalt Kontakt zu halten (90). Das rechtsuchende Publikum muss "seinen" Anwalt wiederfinden können (91). Der verbleibende Anwalt hat keinen gerechtfertigten Grund zu verhindern, dass das dementsprechende Informationsbedürfnis der Rechtsuchenden auf diese Weise gestillt wird.
Eine andere Frage ist es, ob der Vermieter ein solches Schild dulden muss (92). Nach einer Entscheidung des OLG Düsseldorf sind nach Auflösung einer Anwaltssozietät sowohl der in den alten Praxisräumen verbleibende Anwalt als auch der Vermieter dieser Räume verpflichtet, auf angemessene Zeit ein Hinweisschild zu dulden, das auf die neue Praxis des ausgeschiede-nen Anwalts hinweist (93).
Ist der verbleibende Anwalt auch Eigentümer des Gebäudes, in dem sich die ehemalig gemeinsame Kanzlei befand, so ist er auch dann zur Duldung verpflichtet, weil er als Eigentümer zumindest stillschweigend in die mögliche Anbringung eines solchen Schildes ein willigte, als er seine Räumlichkeiten für die Kanzlei zur Verfügung stellte. Es wäre nicht gerechtfertigt, wenn er als Eigentümer verhindern könnte, wozu er als Anwalt im Interesse des rechtsuchenden Publikums verpflichtet ist. Wollte er aus seiner Eigentümerstellung heraus das Schild verhindern, so würde er standes- und damit auch rechtswidrig handeln (94). Der Zweck dieser Standesregel, nämlich die Freiheit der Anwaltswahl zu gewährleisten, erfordert es, dass er diesen geringfügigen Eingriff in sein Eigentum duldet (95).
Auch hier gilt, dass dem fixierten Sozius billig ist, was dem unechten recht ist.