- Gliederung
- Einleitung
- Standesrecht und Zivilrecht
- Arbeitnehmer
- Freie Mitarbeit
- Der fixierte Sozius und die unechte Sozietät
- Gemeinsame Probleme
III. Folgen einer unzutreffenden Qualifikation
1. Zivil- und arbeitsrechtliche Folgen
Über die gebotene Einordnung eines Rechtsverhältnisses als freier Dienst- oder Arbeitsvertrag entscheidet Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien - vielleicht auch übereinstimmend - gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die tatsächlich dem Geschäftsinhalt nicht entspricht. Nur aus dem Geschäftsinhalt ergibt sich der jeweilige Vertragstyp (378).
Ein fälschlich als "freier Mitarbeiter" bezeichneter und angesehener Arbeitnehmer genießt also den vollen sozialen Schutz des Arbeitsrechts, insbesondere auch Kündigungsschutz. Er kann diesen Schutz vor den Arbeitsgerichten geltend machen.
Haben sich die Parteien in einem beiderseitigen Rechtsirrtum befunden, als sie ihr Arbeitsverhältnis als freie Mitarbeit angesehen haben, so richtet sich die Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen über den Wegfall der subjektiven Geschäftsgrundlage, wobei eine Anpassung des Vertrages unter diesen Voraussetzungen regelmäßig nur für noch nicht beendete Vertragsverhältnisse für die Zukunft in Betracht kommen wird (379).
Auf diese Weise könnte etwa die Vergütung angepasst werden, wenn der Dienstherr die angenommenen geringeren sozialen Belastungen durch eine höhere Vergütung kompensiert hat. Im Durchschnitt kompensiert die Differenz zwischen den Einkommen freier anwaltlicher Mitarbeiter und denen der angestellten Anwälte allerdings nicht die Kosten für Altersvorsorge und Sicherung gegen Krankheitsrisiken, die von den freien Mitarbeitern in der Regel selber zu tragen sind (380). Dies zeigt, dass nur ein geringer Anpassungsbedarf bestehen dürfte.
Das Bundesarbeitsgericht hat aber auch (wohl als obiter dictum) ausgeführt, in einem Arbeitsverhältnis würden bei Wegfall der Geschäftsgrundlage zugleich die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 BGB gegeben sein, wobei in zahlreichen Fallgestaltungen die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung das Recht der Geschäftsgrundlage verdränge (381). Diese Kündigungsmöglichkeit würde den sozialen Schutz, den der Mitarbeiter für sich geltend macht, indem er sich darauf beruft, er sei in Wirklichkeit Arbeitnehmer, fast gänzlich entwerten, denn gerade der Bestandschutz ist wesentlicher Teil dieses Schutzes. Man wird dem Arbeitgeber daher in der Regel nur das Recht einer Änderungskündigung mit dem Ziel der Anpassung der Vertragsbedingungen zubilligen müssen. Die vom Arbeitgeber angebotenen (geänderten) Vertragsbedingungen sind dabei, in Anlehnung an die Regelung in § 2 S. 1 KSchG einer gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen. Dies deckt sich mit der Tendenz des Bundesarbeitsgerichts, den Inhalt von Arbeitsverträgen einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle zu unterziehen, wenn eine Partei allein den Inhalt des Vertragsverhältnisses bestimmt (382).
Hierbei kann es nicht darauf ankommen, ob die vom Arbeitgeber angebotenen Bedingungen evident unbillig sind (383), sondern es ist darauf abzustellen, ob der Arbeitgeber die Angemessenheit der Änderungen nachweisen kann. Andernfalls würde man dem Arbeitnehmer das Risiko auferlegen, dass die Geltendmachung des sozialen Schutzes des Arbeitrechts eine unangemessene Verschlechterung der Vertragsbedingungen nach sich zieht.
Das Bundesarbeitsgericht hat auch entschieden, dass neben Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage § 812 I 2 BGB keine Anwendung findet, so dass regelmäßig Rückgewähransprüche ausgeschlossen sind (384).
Keine Probleme wirft die Konstellation auf, dass der Geschäftsinhalt zwar die Annahme eines freien Mitarbeiterverhältnisses nahelegen würde, die Parteien gleichwohl aber ein Arbeitsverhältnis vereinbart haben. In diesem Fall ist der Vertragswille Zurechnungsgrund insbesondere für die Geltung des arbeitnehmergünstigen Individualrechts (385). Zwingendes Recht, das einen Rechtsformzwang begründen könnte, steht dem nicht entgegen.
Zudem werden in Vollzug dieser Vereinbarung die formalen Merkmale, die für ein Arbeitsverhältnis sprechen, (386) derart erfüllt, dass es gerechtfertigt ist, das Beschäftigungsverhältnis dem Typus nach als Angestelltenverhältnis zu charakterisieren.
2. Steuerrechtliche Folgen
Wiederum unproblematisch ist der Fall, dass der Geschäftsinhalt zwar die Annahme eines freien Mitarbeiterverhältnisses rechtfertigen würde, die Vertragsparteien aber ein Arbeitsverhältnis vereinbart haben. Vorbehaltlich des Schutzes öffentlicher Interessen vor Manipulation gelten in diesem Fall auch die Folgewirkungen im Steuerrecht (386). Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof hinsichtlich der Qualifikation des Beschäftigungsverhältnisses der Tatsache, dass die Parteien einen als solchen bezeichneten Arbeitsvertrag abgeschlossen haben, entscheidendes Gewicht beigemessen (387).
Erhebliche Konsequenzen kann aber der umgekehrte Fall haben, dass der fälschlich als "freier Mitarbeiter" Bezeichnete in Wirklichkeit Einkünfte aus nichtselbständige Arbeit bezieht.
Nach § 42 d I Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber grundsätzlich für die Lohnsteuer, die er einzubehalten und abzuführen hat. Nach herrschender Lehre ist die Haftung verschuldensunabhängig; es handelt sich um eine gesetzliche Haftung, die in ihren Wirkungen der Gefährdungshaftung gleichkommt (388). Der Dienstherr trägt in diesem Fall also grundsätzlich die Gefahr einer nicht ordnungsgemäßen Versteuerung der Einkünfte durch den Mitarbeiter. Auch die Regressmöglichkeit des Arbeitgebers führt regelmäßig nicht zu seiner Entlastung, weil in der aarbeitsrechtliche Wirklichkeit diese Ansprüche aus vielerlei Gründe oftmals nicht durchsetzbar sind (389).
Die umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen verdeckter Arbeitsverhältnisse unter Rechtsanwälten hat Göran Berger untersucht (390). Im Zentrum des Problems steht § 14 III 1 UStG, wonach auch der zu Unrecht ausgewiesene Steuerbetrag dem Staat geschuldet wird. Wegen der Einzelheiten, auch hinsichtlich der Regressmöglichkeiten (391), wird auf die genannte Darstellung verwiesen.
3. Sozialrechtliche Folgen
Nach einem in der Sozialversicherung allgemein anerkannten Grundsatz ist nicht nach den von den Vertragspartnern gewählten Bezeichnungen oder der zivilrechtlichen Erscheinungsform der Vereinbarung, sondern nach der tatsächlichen Gestaltung der Verhältnisse zu entscheiden, ob jemand als versicherter Arbeitnehmer anzusehen ist (392).
Der fälschlich als "freier Mitarbeiter" bezeichnete Arbeitnehmer unterliegt also grundsätzlich der sozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht (393). Dieser Beitrag wird gemäß §§ 393 I 1, 1396 I 1 RVO, 118 I 1 AVG, 176 I AFG in voller Höhe vom Arbeitgeber geschuldet (394). Der Arbeitnehmer muss sich den auf ihn entfallenden Anteil gemäß §§ 394 I, 1397 I, 119 I AVG, 179 Nr. 2 AFG nur vom Barlohn abziehen lassen (394).
Das hat zur Folge, dass der Arbeitgeber alle noch nicht verjährten Beiträge nachzuzahlen hat und zwar auch den Anteil, der auf den Arbeitnehmer entfällt, ohne dass er diesen Anteil in nennenswertem Umfang, oft sogar überhaupt nicht vom Arbeitnehmer zurückverlangen kann (394). Nach § 25 I 1 SGB IV verjähren Beitragsansprüche in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, es sei denn, die Beiträge seien vorsätzlich vorenthalten worden; dann verjähren sie gemäß § 25 I 2 SGB IV in erst dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind.
Hat der Arbeitnehmer keinen Lohnanspruch mehr, weil beispielsweise das Vertragsverhältnis beendet ist, kann der Arbeitgeber keinen Lohnabzug mehr vornehmen; eine Erstattung der Arbeitnehmeranteile in anderer Weise ist unzulässig (395). Selbst wenn der Arbeitgeber aus Rechtsirrtum die Beitragsentrichtung unterlassen hat, kann nicht von einer unverschuldeten verspäteten Beitragsentrichtung im Sinne der §§ 395 II, 1397 III RVO, 119 III AVG gesprochen werden, weil er sich hätte erkundigen können (395)). Dies gilt besonders bei einem Arbeitgeber, der Volljurist ist. Sind Abzüge für eine Lohnzeit unterblieben, dürfen sie also nur bei der Lohnzahlung für die nächste Lohnzeit nachgeholt werden (§§ 395 II, 1397 III RVO, 119 III AVG, § 179 Nr. 2 AFG).
Ein wenig besser steht sich der Arbeitgeberanwalt nur dann, wenn sich der Arbeitnehmeranwalt wegen der Mitgliedschaft im Versorgungswerk nach § 7 II AVG von der gesetzlichen Angestelltenversicherung hat befreien lassen.
Umgekehrt kommt es zwar hinsichtlich der Leistungsgewährung allein auf die Versicherungspflicht in der Sozialversicherung an (396). In Grenzfällen ist jedoch bei der Qualifikation des Dienstverhälnisses der in der vertraglichen Vereinbarung zum Ausdruck kommende übereinstimmende Wille der Vertragsschließenden ausschlaggebend (397). Haben die Parteien also trotz gewisser Umstände, die für eine Selbständigkeit des Mitarbeiters sprechen, ein Arbeitsverhältnis vereinbart, so gelten in diesem Fall auch die Folgewirkungen im Sozialversicherungsrecht (vorbehaltlich des Schutzes öffentlicher Interessen vor Manipulationen) (398).
4. Standesrechtliche Folgen
Es wird die Ansicht vertreten, es sei standesrechtliche Pflicht des Arbeitgeberanwalts, das Beschäftigungsverhältnis zutreffend einzuordnen, vor allem zu prüfen, ob eine Einstufung als freie Mitarbeit zivil-, sozial- und steuerrechtlich unbedenklich ist (399).
Hier ist aber nur ausnahmsweise ein standesrechtliches Eingreifen erforderlich, nämlich dann, wenn die Einstufung des Beschäftigten als freier Mitarbeiter dazu führt, dass er sozial derart ungesichert ist, dass er der Gefahr ausgesetzt ist, seine Berufspflichten als Rechtsanwalt zu missachten oder die ihm zugewiesenen Fälle nicht sachgerecht zu bearbeiten (400).
Dies ist vor allem dann der Fall, wenn das vermeintliche Fehlen eines Bestandschutzes dazu benutzt wird, unangemessene Vertragsbedingungen zu Lasten des Mitarbeiters, insbesondere eine unzureichende Entlohnung durchzusetzen oder zu sichern.
Verweist der Prizipalanwalt seinen Mitarbeiter, der eigentlich Arbeitnehmer ist, auf den Status eines "freien Mitarbeiters", um ihm die Geltendmachung sozialer Rechte zu verwehren oder zu erschweren, so kann hierin auch eine rechtsfeindliche Einstellung zum Ausdruck kommen, die dem Vertrauen der Allgemeinheit in die Seriösität des Anwaltsstandes derart abträglich sein kann, dass auch deshalb standesaufsichtliches Einschreiten geboten ist.
5. Folgerung
Die Folgerung ist einfach: Ergeben sich nicht unerhebliche Zweifel, ob der einzustellende Mitarbeiter seine Selbständigkeit behält, tut der einstellende Anwalt gut daran, den sichereren Weg zu gehen und einen Arbeitsvertrag abzuschließen.
IV. Arbeitnehmerähnlichkeit
1. Begriff
Nach § 2 S. 2 BUrlG und § 5 I 2 ArbGG gelten als Arbeitnehmer im Sinne dieser Gesetze auch "Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind ". § 621 Nr. 5 BGB bestimmt, dass bei einem die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten vollständig oder hauptsächlich in Anspruch nehmenden Dienstverhältnis, bei dem die Vergütung nicht nach Zeitabschnitten bemessen ist, nicht eine jederzeitige Kündigung zulässig ist, sondern eine Kündigungsfrist von zwei Wochen einzuhalten ist. Eine entsprechende Auslauffrist hat das Bundesarbeitsgericht für die Vertragsbeziehungen eines vom Auftraggeber wirtschaftlich abhängigen Mitarbeiters angenommen, dem vom Auftraggeber jahrelang ständig Einzelaufträge erteilt wurden (401). Auch im übrigen kann die besondere Schutzbedürftigkeit arbeitnehmerähnlicher Personen es rechtfertigen, einzelne arbeitsrechtliche Vorschriften entsprechend anzuwenden (402).
Arbeitnehmerähnliche Personen sind Dienstleistende, die mangels persönlicher Abhängigkeit keine Arbeitnehmer, aber wegen ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit keine Unternehmer sind (403). Ob § 12 a TVG eine allgemeine Definition der Arbeitnehmerähnlichkeit oder lediglich eine Definition für den Bereich des Tarifrechts enthält, ist umstritten (404).
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen die betreffenden Personen wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit in einer ähnlichen Abhängigkeit wie ein Arbeitnehmer stehen und - als weitere Voraussetzung - eben wegen dieser Abhängigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sein. Daraus ergibt sich nach der Auffassung des Gerichtes, dass das Vorliegen einer wirtschaftlichen Abhängigkeit, wie sie für die überwiegende Zahl von Dienstverhältnissen charakteristisch ist, nicht das alleinige Kriterium für die Beantwortung der Frage bilden kann, ob die betreffende Person als arbeitnehmerähnlich anzusehen ist. Danach muss hinzukommen, dass diese Person dem Typ nach wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit einem Arbeitnehmer ähnelt und deshalb sozial schutzbedürftig ist. Wann dies der Fall ist, lässt sich nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht nach starren Reegeln beurteilen, sondern kann unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung nur den gesamten Umständen des Einzelfalles entnommen werden (405) (406).
Dabei ist die soziologische Situation der betreffenden Person zu betrachten (407). Es kommt darauf an, ob diese Person nach ihrer sozialen Stellung einer arbeitnehmerähnlichen Person entspricht (408).
Der wirtschaftlich Abhängige muss also auch seiner gesamten sozialen Stellung nach unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung schutzbedürftig sein (409). Dabei unterscheidet sich der Begriff der arbeitnehmerähnlichen Person im Sinne des § 2 BUrlG nicht wesentlich von dem entsprechenden Begriff in § 5 ArbGG (410). Lediglich hinsichtlich der Beurteilung von Handelsvertretern können sich möglicherweise Unterschiede ergeben (vergl. § 5 III ArbGG) (411).
Auch die Literatur sieht das Merkmal der sozialen Schutzbedürftigkeit als wesentliche Voraussetzung für eine arbeitnehmerähnliche Stellung an (412). Dementsprechend setzt auch § 12 a I Nr. 1 TVG voraus, dass arbeitnehmerähnliche Personen "vergleichbar einem Arbeitnehmer sozial schutzbedürftig sind".
Arbeitnehmerähnliche Personen zeichnen sich u.a. dadurch aus, dass sie ihre Leistungen nicht am Markt, sondern nur gegenüber bestimmten Unternehmen zu erbringen vermögen (413). Sie sind im wesentlichen auf persönliche Arbeit für bestimmte Unternehmen angewiesen (414). Ihre unternehmerische Bewegungsfreiheit am Markt ist hierdurch eingeschränkt (415). Ihre wirtschaftliche Existenz gründet sich nicht auf die Tätigkeit für beliebige Vertragspartner (416). Bieten Personen andererseits ihre Dienste beliebigen Auftraggebern an, so fehlt es an der wirtschaftlichen Abhängigkeit von bestimmten anderen Personen (417). Dementsprechend soll derjenige, der seine Waren und Dienste dem Publikum anbietet, niemals arbeitnehmerähnlich sein (418). G. Hueck geht sogar davon aus, dass schon die Freiheit und die reale Möglichkeit, umfangreichere Tätigkeiten für andere auszuführen, die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem ganz bestimmten Auftraggeber regelmäßig aufheben, selbst wenn davon in concreto nur wenig oder gar kein Gebrauch gemacht wird (419).
Lieb gibt allerdings zu bedenken, dass es zwar durchaus so sein könne, dass sich durch die Möglichkeit des Kontrahierens mit verschiedenen Auftraggebern die wirtschaftlichen Chancen des einzelnen erhöhten, seine Schutzbedürftigkeit also geringer werde. In bestimmten Fällen könnten reale Möglichkeiten zur Verwirklichung dieser Unternehmerchancen gar nicht mehr gegeben sein. Einer sehr geringen Unternehmerchance stände dann ein ganz erhebliches Unternehmerrisiko gegenüber, das dann aus sozialer Sicht Schutzbedürftigkeit und Schutzwürdigkeit begründe und zwar unabhängig davon, ob die betreffenden Personen (notgedrungen) für mehrere Auftraggeber tätig sind, oder ob sie das Glück haben, von einem Auftraggeber so viele Aufträge zu erhalten, dass sie auf zusätzliche Fremdaufträge zumindest weitgehend verzichten können. (420)
Diesen Gedanken haben die Regelungen in § 12 a I Nr. 1 b TVG und § 12 a II und III TVG in gewisser Weise Rechnung getragen.
2. Kann ein Rechtsanwalt arbeitnehmerähnlich sein?
Im ersten Augenblick möchte man auf die Frage, ob ein Rechtsanwalt die Stellung einer arbeitnehmerähnlichen Personen haben könne, mit der Gegenfrage antworten:
Warum nicht? Allerdings ist die Schutzbedürftigkeit eines Anwalts mit nur einem Klienten ("Einmann-Klientel" (421)) als zweifelhaft erscheinend bezeichnet worden (422).
Zur Beantwortung der Frage, ob der anwaltliche Mitarbeiter eines Anwalts diesem gegenüber die Stellung einer arbeitnehmerähnlichen Person haben kann, sind zunächst die Umstände zu betrachten, unter denen sich eine Mitarbeit vollziehen kann, die nicht als arbeitnehmerisch zu charakterisieren ist. Betrachtet man die Merkmale, die für eine persönliche Abhängigkeit sprechen können, so wird man feststellen, dass eine wirkliche Selbständigkeit prinzipiell voraussetzt, dass der mitarbeitende Anwalt das Recht und die tatsächliche Möglichkeit hat, nach eigenem Gutdünken auf eigene Rechnung Mandate zu bearbeiten (423).
Andernfalls ergibt sich die persönliche Abhängigkeit schon daraus, dass es den Mitarbeiter obliegt seine gesamte Arbeitskraft dem dienstberechtigten Anwalt zur Verfügung zu stellen und er insbesondere auch keiner weiteren Beschäftigung nachgehen darf (424). Dabei können Beschränkungen des Gutdünkens, die sich daraus ergeben, dass die eigenen Mandate den Anwalt eventuell in Konflikt zu seiner Tätigkeit für den anderen Anwalt bringen können, unberücksichtigt bleiben.
Liegen diese (Mindest-) Voraussetzungen einer Selbständigkeit aber vor, dann hat der Mitarbeiter auch die reale Möglichkeit seine Dienste dem rechtsuchenden Publikum anzubieten und seine wirtschaftliche Existenz auf die Tätigkeit für beliebige Vertragspartner zu gründen (425).
Zwar wird die Tätigkeit "am Markt" vor allem bei Berufsanfängern nicht immer ein auskömmliches Einkommen einbringen. Dies gilt aber auch für solche Anwälte, die nicht als freie Mitarbeiter für andere Anwälte tätig werden. Man wird vielmehr umgekehrt sagen müssen, dass eine freie Mitarbeit die Chancen der betreffenden Anwälte verbessert, sich "am Markt" etablieren zu können.
Auch ist zu berücksichtigen, dass bei einem Beschäftigungsverhältnis unter Rechtsanwälten Dienstherr und -verpflichteter die gleiche Qualifikation haben, der dienstleistende Anwalt also grundsätzlich die Rolle des Prinzipalanwalts einnehmen kann. Auch dieser Umstand dürfte nach der Verkehrsauffassung die soziale Stellung des dienstverpflichteteten Anwalts derart prägen, dass hiernach eine soziale Schutzbedürftigkeit zu verneinen ist.
Im Ergebnis ist also der Anwalt, der wirklich freier Mitarbeiter eines anderen Anwalts ist, seiner sozialen Stellung nach grundsätzlich nicht einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass diese Beurteilung hinfällig wird, wenn sich die Verhältnisse auf dem "Markt" der Rechtsberatung und -vertretung grundlegend ändern (426).
Ausnahmsweise kann ein Anwalt als in arbeitnehmerähnlicher Stellung tätig angesehen werden, nämlich dann, wenn ihn eine als werkvertraglich zu qualifizierende Tätigkeit wirtschaftlich vom Auftraggeber abhängig macht, indem sie ihm (auf längere Zeit) im wesentlichen die Möglichkeit nimmt, für das rechtsuchende Publikum tätig zu werden.