- Gliederung
- Einleitung
- Standesrecht und Zivilrecht
- Arbeitnehmer
- Freie Mitarbeit
- Der fixierte Sozius und die unechte Sozietät
- Gemeinsame Probleme
2. Unangemessene Arbeitsbedingungen
Obwohl § 81 Rili die Gewährung angemessener Beschäftigungsbedingungen fordert, wird zunehmend beobachtet, dass es Berufsanfänger gibt, die sich bei etablierten Anwälten zu "Ausbeutungsbedingungen" anstellen lassen (187). Unangemessene Arbeitsbedingungen sind allerdings erst in zweiter Linie und nur in Extremfällen ein standesrechtliches Problem, primär müssen sie Gegenstand arbeitsrechtlicher Betrachtung sein (188).
a) Unangemessen niedriger Lohn
"Ausbeutungsbedingungen" manifestieren sich häufig darin, dass dem angestellten Anwalt nur ein zu gering erscheinendes Entgelt gewährt wird.
Grundsätzlich können die Arbeitsvertragsparteien die Bemessung der Arbeitsvergütung frei vereinbaren (189). Gesetzliche Festlegungen der Lohnhöhe gibt es für Arbeitnehmer nicht (190). Auch ein einschlägiger Tarifvertrag ist dem Verfasser nicht bekannt; der Organisationsgrad, insbesondere auf der Arbeitgeberseite, dürfte auch äußerst gering sein.
Eine Grenze auch der diesbezüglichen Vertragsfreiheit bildet § 138 BGB.
Ein Arbeitsvertrag ist sittenwidrig im Sinne des § 138 I BGB, wenn er nach Inhalt, Beweggrund der Beteiligten und seiner Zwecksetzung gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt und den oder einem Beteiligten der Widerspruch des Rechtsgeschäfts mit dem Anstandsgefühl der Gemeinschaft zum Vorwurf gemacht werden kann (191).
Es ist allerdings davon auszugehen, dass nicht jedes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung -auch nicht jedes unbillig erscheinende Missverhältnis - zur Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts führt. Um als Sittenwidrigkeitselement in Betracht zu kommen, muss ein Leistungsmissverhältnis ein auffälliges sein. Nach der Rechtsprechung reicht ein auffälliges Leistungsmissverhältnis als solches allerdings für die Annahme von Sittenwidrigkeit nicht aus. Damit Nichtigkeit ausgelöst wird, müssen zusätzliche Faktoren wirksam werden. Dies sind entweder jene besonderen Umstände, von denen § 138 II BGB spricht, oder ein subjektives Moment, vor allem eine verwerfliche Gesinnung, das dann Nichtigkeit nach § 138 I BGB bewirkt (192).
Das Bundesarbeitsgericht hat demgemäß entschieden, dass gemäß § 138 I BGB Arbeitsverträge nichtig sind, bei denen Leistung und Gegenleistung in einem nach der Anschauung billig und gerecht denkender Menschen auffälligen Missverhältnis zueinander stehen, sofern dieses Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auf ein Verhalten der begünstigten Partei zurückgeht, das auf verwerflicher Gesinnung beruht (193). Bei der Beurteilung, ob Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis stehen, wird in aller Regel auf die Arbeitsleistung als solche, auf deren Dauer und Schwierigkeitsgrad, auf die körperliche und geistige Beanspruchung, auf die Arbeitsbedingungen schlechthin abzustellen sein und nicht etwa auf den sogenannten Aneignungswert für den Unternehmer (194).
Die verwerfliche Gesinnung der begünstigten Partei kann durch die Gesamtumstände indiziert sein (195). Bei besonders grobem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung kann auf das Vorhandensein einer verwerflichen Gesinnung ohne zusätzliche Feststellungen geschlossen werden (196).
Die Äquivalenzstörung ist jedoch nur einer von mehreren Indikatoren der Sittenwidrigkeit. Bei rücksichtsloser Ausnützung von Übermacht können auch Leistungsmissverhältnisse geringeren Ausmaßes zur Sittenwidrigkeit führen. (197)
Auch der sogenannte Lohnwucher führt zur Nichtigkeit der Lohnvereinbarung (198). Lohnwucher liegt vor, wenn der Wert der Arbeitsleistung und das Entgelt in einem auffallenden Missverhältnis zueinander stehen und zusätzlich eine der in § 138 II BGB genannten Voraussetzungen gegeben ist (199).
Von Lohnwucher spricht man dann, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, gegen eine unverhältnismäßig niedrige Vergütung zu arbeiten, oder wenn er gegen eine durchschnittliche Vergütung zahlreiche Nebenpflichten übernehmen muss (199). Lohnwucherische Verträge können beispielsweise dann vorliegen, wenn trotz angemessener Arbeitsleistung der Arbeitnehmer nicht in der Lage ist, für sich und seine Familie den notwendigen Unterhalt zu verdienen (sogenannter Hungerlohn) (200) oder die Vergütung weit unter dem Tariflohn liegt (201). Zweifelhaft ist, ob man bei der Bewertung auf die Löhne allgemein oder der jeweiligen Branche abzustellen hat (202). Das Bundesarbeitsgericht stellt auf das allgemeine Lohnniveau ab, weil es auf das Rechtsgefühl aller gerecht und billig Denkenden ankomme (203), während Konzen eine Orientierung an dem Tariflohn der jeweiligen Branche und Region für sachgerechter hält (204).
Im allgemeinen soll eine Lohnvereinbarung erst dann als sittenwidrig gelten, wenn das vereinbarte Entgelt die Hälfte oder weniger der angemessenen Vergütung im Sinne des § 612 II BGB beträgt (205). In jedem Fall bedarf es aber einer sorgfältigen Abwägung im Einzelfall (206).
Eine Zwangslage im Sinne des § 138 II BGB ist gegeben, wenn durch wirtschaftliche Bedrängnis oder Umstände anderer Art für den Betroffenen ein zwingendes Bedürfnis nach Arbeit oder Gelderwerb besteht; Zwangslage können aber nur echte finanzielle Schwierigkeiten sein (206).
Für den Wuchertatbestand ist keine besondere Ausbeutungsabsicht erforderlich; vielmehr reicht es aus, wenn der Wucherer Kenntnis von dem auffälligen Leistungsmissverhältnis und der Ausbeutungssituation hat und sich diese Situation vorsätzlich zunutze macht (207). Der Kenntnis der Tatumstände ist es gleichzusetzen, wenn sich der Handelnde der Erkenntnis dieser Umstände in schuldhafter Weise verschließt (208).
In den genannten Fällen wird häufig nur die Vergütungsvereinbarung nichtig sein (209). Dies führt dann nicht nach § 139 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages, weil dadurch der Schutzcharakter des Arbeitsrechts umgangen würde (210). Es gilt vielmehr im Arbeitsrecht dann der dem § 139 BGB entgegengesetzte Grundsatz, dass der Arbeitsvertrag wirksam bleibt und anstelle der unwirksamen Vereinbarung die gesetzliche Regelung tritt (211). In den genannten Fällen ist die Vergütung gemäß § 612 II BGB zu ermitteln (212), wo- bei die übliche Vergütung entscheidend ist (213). Die übliche Vergütung ist, sofern ein die gleiche Arbeit regelnder Tarifvertrag für den betreffenden räumlichen und fachlichen Bereich besteht, grundsätzlich diesem zu entnehmen (214).
Fraglich ist, ob eine über die allgemeinen Institute des Zivilrechts hinausgehende richterliche Kontrolle der Arbeitsbedingungen zu erfolgen hat.
Die Rechtsprechung ist in den letzten Jahren in zunehmendem Maße dazu übergegangen, den Inhalt von Arbeitsverträgen einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle zu unterziehen (215).
Ausgangspunkt der diesbezüglichen Erwägungen bildet die Prämisse, dass das geltende Schuldrecht auf dem Gedanken beruhe, die Vertragsgerechtigkeit sei in aller Regel dadurch gewährleistet, dass gleich starke Vertragspartner jeweils in Wahrnehmung der eigenen Interessen im Wege des Aushandelns einen billigen Ausgleich schaffen. Daher rechtfertige sich die grundsätzliche Vertragsfreiheit. Anders sei es dann, wenn kein Gleichgewicht der Vertragspartner einen an- gemessenen Vertragsinhalt gewährleistet, weil entweder die Vertragsparität gestört ist oder eine Vertragspartei aus anderen Gründen allein den Inhalt des Vertragsverhältnisses gestalten kann. In diesen Fällen sei eine gerichtliche Billigkeitskontrolle angebracht (216).
Demgemäß hat das Bundesarbeitsgericht auch einen individuell abgeschlossenen Arbeitsvertrag der Billigkeitskontrolle unterworfen, weil dessen Gestaltung darauf schließen lasse, dass die Vertragsparität gestört war und der betroffene Arbeitnehmer zu einer sozial schwachen und damit schutzbedürftigen Gruppe von Arbeitnehmern gehörte (217). In der Literatur wurde sogar die Auffassung geäußert, im Verhältnis Arbeitgeber - Arbeitnehmer sei grundsätzlich von einer gestörten Vertragsparität zu Lasten des letzteren auszugehen (218).
Dagegen werden Bedenken geltend gemacht, die sich schon aus der Unbestimmtheit der Grenzen einer über Extremfälle hinausgehenden Vertragskontrolle des individuellen Vertragsschlusses und individueller Vertragsänderungen ergeben sollen (219). Auch soll die Billigkeitskontrolle kein adäquates Mittel zur Kompensation gestörter Vertragsparität sein, weil sie sich, wenn sie nicht bloße Billigkeitsjustiz im Sinne subjektiv- willkürlicher, gefühlsmäßiger Interessenbewertung sei, sondern eine auf rein objektiver Grundlage vorgenommene, an der konkreten Rechtsordnung orientierte Interessen- und Güterabwägung, über die subjektiven Richtigkeitsvorstellungen der Vertragspartner, die allein diee Vertragsgerechtigkeit ausmachen sollen, hinwegsetze (220).
Bezüglich des hier zu behandelnden Problems weist Thiele auch mit Recht darauf hin, dass sich die Bestimmung des "gerechten Preises" als kaum lösbare Aufgabe erweisen würde (221). Als generelle Lösung schlägt er vor, die Arbeitsgerichte sollten erst dann gestaltend eingreifen, wenn sich im Einzelfall ein offenbares Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung zeigt (222). Diese Lösung sei geeignet, unter Aufrechterhaltung des Prinzips der Privatautonomie dem (objektiven) Missbrauch sozialer Übermacht bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen wirksam zu begegnen (222).
Hingewiesen werden kann in diesem Zusammenhang auch auf § 8 AGBG, der auch Ausdruck des gesetzgeberischen Willens ist, den Gerichten nicht die Aufgabe einer Preiskontrolle aufzubürden (223). Berechtigt ist daher sicherlich die Sorge, eine weit ausgedehnte Kontrollmöglichkeit des Arbeitsvertragsinhalts könne die Arbeitsgerichtsbarkeit überlasten (224). Es ist nicht nur zu befürchten, dass die Belastung der Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit zahlenmäßig zunimmt, wenn allgemein bekannt würde, dass es die Möglichkeit gäbe, als unbillig empfundene Vertragsklauseln auf diese Weise korrigieren zu lassen, sondern eine erhebliche Belastung ergäbe sich auch aus der Intensität der zur Beurteilung notwendigen Sachaufklärung (225). Eine allgemeine Billigkeitskontrolle würde auch den Arbeitsvertrag als Erscheinungsform privatautonomer Rechtsgestaltung im wesentlichen beseitigen (226) und im Ergebnis die Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen bis ins Detail nahezu vollständig in die Hand der Gerichte legen.
Die Billigkeitskontrolle ist daher im Hinblick auf den hohen Stellenwert der Privatautonomie zurückhaltend zu vollziehen (227). Andererseits ist der Gedanke nicht von der Hand zu weisen, dass bei "gestörterVertragsparität" nur die richterliche Inhaltskontrolle private Regelungen ermöglicht (228). Es stellt sich aber die Frage, ob diese Inhaltskontrolle lediglich in den durch die §§ 134, 138 BGB gezogenen Grenzen zu erfolgen hat oder darüber hinausgehen darf (229). Aufgrund der obigen Erwägungen und wegen der "Unschärfe" des Merkmals der Billigkeit kommt auch meiner Ansicht nach eine Inhaltskontrolle nur bei evidenter Unbilligkeit in Betracht. Auch der letztgenannten Entscheidung der Bundesarbeitsgerichts hat wohl ein solcher Evidenzfall zugrunde gelegen (230).
Zumindest bei Arbeitsverträgen unter Rechtsanwälten ist bei einer evidenten Unbilligkeit der Arbeitsbedingungen regelmäßig auch eine Sittenwidrigkeit der entsprechenden Abrede gemäß § 138 I BGB gegeben, so dass die soeben aufgeworfenen Frage hier praktisch kaum Relevanz erlangt.
Vor allem Berufsanfänger sind genötigt, zunächst ein Beschäftigungsverhältnis mit einem etablierten Anwalt oder einer Sozietät anzustreben. Hierfür sprechen nicht nur die bereits genannten Gründe (231), sondern der Arbeitsmarkt für Juristen und die Berufsaussichten selbständiger Tätigkeit lassen vielen von ihnen überhaupt keine andere Wahl. Während die Zahl der jährlich fertig ausgebildeten Juristen weiter zunimmt, bleibt die Zahl der Neueinstellungen in Wirtschaft, Verwaltung und Justiz nahezu konstant, so dass der prozentuale Anteil der künftigen Anwälte immer größer werden wird (232). Den meisten frischgebackenen Volljuristen bleibt daher nichts anderes übrig, als die Zulassung als Rechtsanwalt zu beantragen (233). Die Erwerbsmöglichkeiten bei der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in eigener Kanzlei sind aber zunächst nur sehr gering (233). Die seriöse Gründung einer selbständigen Existenz setzt also erhebliche finanzielle Mittel voraus, um vor allem eine mehrjährige "Durststrecke" durchzustehen. Derartige Mittel sind aber bei Berufsanfängern nur ausnahmsweise vorhanden. Neben dem Wunsch Berufserfahrung zu sammeln und der Hoffnung auf Assoziation ist demgemäß die Bildung von Startkapital für eine eigene Bürogründung eines der wichtigsten Motive für die Aufnahme einer Beschäftigung im Arbeitsverhältnis (234).
Beachtlich ist in diesem Zusammenhang ferner, dass auch bei Volljuristen eine erhebliche Arbeitslosigkeit existiert (235).
Der sich um eine Stelle als angestellter Anwalt bewerbende Kollege ist daher, wenn er sich nicht als "Spitzen"-Jurist ausweisen kann, oftmals in der Lage, dass er auf den begehrten Arbeitsplatz dringend angewiesen ist. Dies bedingt, auch angesichts der nicht unerheblichen Zahl seiner Konkurrenten, dass er regelmäßig gegenüber dem einstellenden Anwalt eine stark unterlegene Verhandlungsposition hat, was diesem in Anbetracht der allgemeinen Diskussion der Juristenschwemme kaum verborgen sein dürfte.
Die Vereinbarung unangemessener Arbeitsbedingungen, insbesondere eines unangemessen niedrigen Gehalts, durch bewusste oder regelmäßig zumindest grob schuldhafte Ausnutzung dieser Lage, die oftmals sogar als Zwangslage im Sinne des § 138 II BGB angesehen werden kann, durch den Arbeitgeberanwalt führt zur Sittenwidrigkeit des Arbeitsvertrages nach § 138 BGB. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Rechtsprechung bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit bei Rechtsanwälten eine schärferen Maßstab angelegt hat, weil diese berufen sind, bei der Wahrung des Rechts mitzuwirken (236). Dies ist auch hier gerechtfertigt, weil die Auferlegung grob und damit evident unbilliger Beschäftigungsbedingungen geeignet sind, das Vertrauen des rechtsuchenden Publikums in die Seriösität der Anwaltschaft zu schädigen (237).
Eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 I BGB besteht erst recht auch dann, wenn die unzureichenden Arbeitsbedingungen den angestellten Anwalt offensichtlich in die Versuchung führen müssen, seine Berufspflichten als Anwalt zu missachten oder unsorgfältig zu arbeiten (238). Diese Versuchung ist dann natürlich besonders ausgeprägt, wenn der Arbeitgeberanwalt oder die Mitglieder der Arbeitgebersozietät ihm insbesondere durch ihren Lebensstil zu erkennen geben, dass sein oder ihr Einkommen überdurchschnittlich hoch ist. Die derart provozierte "innerliche Kündigung" schadet der Berufung zum "Kampf ums Recht".
Fraglich ist, bis zu welcher Höhe ein Gehalt als evident unbillig zum Nachteil des Arbeitnehmeranwalts anzusehen ist.
Einen Anhaltspunkt für die angemessene Entlohnung eines Volljuristen bildet die Vergütung, die ein Richter oder entsprechender Beamter oder Angestellter im öffentlichen Dienst erhält (239), zumal davon ausgegangen werden kann, dass die Entlohnung in der Wirtschaft eher höher ist.
Es ist allerdings die Frage aufgeworfen worden, ob die Angemessenheit der Vergütung angesichts der Anwaltsschwemme nicht neu zu durchdenkenden Beurteilungsgrundsätzen unterliegt (240). Wenn Knief feststellt, dass es auch angesichts der "Juristenschwemme" keiner Erörterung bedürfe, dass der anwaltliche Mitarbeiter eine ausreichende Vergütung erhalten müsse (241), dann ist dies nach Eich zwar zutreffend, aber auch eine die Praxis kaum beeinflussende fromme Hoffnung (242).
Viele Berufsanfänger hätten aufgrund einer weniger gut ausgewiesenen Qualifikation bei anderen Berufen keine Einstellungschancen und sind deshalb bereit, zu jedem Entgelt zu arbeiten (243). Aus der Praxis wurden 1985 Monatsgehälter von 1200 DM bis allenfalls 1800 DM bei Anstellung in einer "angesehenen" Kanzlei genannt (244).
Solche Gehälter erscheinen mir bereits evident unangemessen niedrig, auch wenn vergleichbar niedrige Gehälter nicht selten zu sein scheinen. Nach Hommerich verdienen 17 % der Rechtsanwältinnen und 4 % der Anwälte, die mehr als 50 Wochenstunden arbeiten, monatlich weniger als 3000 DM (Bruttoeinkommen) (245). Immerhin 31 % der Rechtsanwältinnen und 17 % der Anwälte gaben auch bei einer Untersuchung an, nach ihrem Examen wegen ihrer Bereitschaft zur Übernahme einer unterbezahlten Stelle eingestellt worden zu sein (246).
Es darf nicht außer acht gelassen werden, dass der Angestellte als Rechtsanwalt eine anspruchsvolle, verantwortungsreiche und oftmals sehr belastende Tätigkeit ausübt, die eine mindestens 6-jährige, regelmäßig sogar längere Ausbildung erfordert. Die Tatsache, dass eine selbständige Tätigkeit noch weniger einbringen würde, vermag lediglich das besondere Bedürfnis des Einzustellenden nach einer Anstellung zu begründen und kann daher kein Anlass sein, die Grenze des Angemessenen nach unten zu verschieben (247). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass anwaltliche Mitarbeiter oftmals einer bemerkenswert hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt werden.
Eich meint, untere Grenze der Entlohnung habe das Referendargehalt nebst Zulagen zu sein, das der Mitarbeiter vor Beendigung seiner Ausbildung erhalten hat (248).
Das Referendargehalt und seine Zulagen sind allerdings zur Alimentation des jungen Juristen während der Ausbildung bestimmt und stellen kein Äquivalent für die von ihm erbrachten Leistungen das, denen allenfalls ein geringer wirtschaftlicher Wert zukommt. Die Untergrenze einer noch angemessenen zu nennenden Entlohnung eines ausgebildeten (Voll-)Juristen muss daher eigentlich wesentlich höher liegen.
Zum Vergleich können die Entlohnung der Volljuristen im öffentlichen Dienst und die in der Regel diese übersteigenden Gehälter der in der Wirtschaft angestellten Juristen herangezogen werden. Unberücksichtigt muss in diesem Zusammenhang bleiben, dass ausgebildete Juristen in der Wirtschaft heutzutage oftmals nur eine nichtqualifikationsgerechte Anstellung und ein entsprechend vermindertes Gehalt erlangen können (249). Es geht hier nämlich um die angemessenen Entlohnung eines entsprechend seiner Ausbildung tätigen Juristen.
Dieser Vergleich zeigt auch, dass Fähigkeiten und berufliche Erfahrung bei der Feststellung einer angemessenen Vergütung zu berücksichtigen sind.
Die Rechtsprechung ist allerdings bei der Feststellung einer sittenwidrig niedrigen Entlohnung sehr zurückhaltend. Bisher ist noch kein richterlicher Mindestlohn als Prozentsatz des Tariflohnes (oder des üblichen Lohnes) bekannt (250). Das LAG Berlin hat einmal die Hälfte der angemessenen Vergütung als Grenze zur Sittenwidrigkeit einer Lohnvereinbarung betrachtet (251).
Berücksichtigt man dies, wird man im Ergebnis doch Eich folgen müssen und eine auffallend unangemessen niedrige Entlohnung für den Regelfall erst dann anzunehmen haben, wenn der angestellte Anwalt weniger erhält, als er als Referendar erzielte. Die Sittenwidrigkeit der Entgeltabrede ist also erst dann indiziert, wenn das vereinbarte Gehalt das Referendargehalt nebst Zulagen unterschreitet. Dies gilt jedenfalls für Anstellungsverhältnisse mit Berufsanfängern. In der Praxis wird aber die Sittenwidrigkeit der Entgeltabrede fast nur dort in Frage stehen.
Im Streitfalle hat sich das Arbeitsgericht dann bei der Festsetzung der üblichen Vergütung nach § 612 II BGB an den Verdienstmöglickeiten für Volljuristen im öffentlichen Dienst zu orientieren.
Eine andere Beurteilung kann ausnahmsweise dann angebracht sein, wenn der Arbeitgeberanwalt selbst nur ein als niedrig anzusehendes Einkommen erzielt, vor allen dann, wenn er deswegen überhaupt nicht in der Lage ist, den angestellten Anwalt besser zu bezahlen. Gleiches gilt dann, wenn dem angestellten Anwalt ausreichend Gelegenheit geboten wird, sein Einkommen durch Nebentätigkeiten aufzustocken.
Die bezeichnete Untergrenze wird sich in der Praxis auch kaum als Einstellungshindernis auswirken. Regelmäßig wird nämlich die Arbeitsleistung der anwaltlichen Mitarbeiter in der Kanzlei, in der sie arbeiten, tatsächlich gebraucht und der Kanzleiinhaber ist auch finanziell in der Lage, sie angemessen zu vergüten.
b) Sonstige unangemessene Arbeitsbedingungen
Hinsichtlich sonstiger unangemessener und unbilliger Arbeitsbedingungen gilt grundsätzlich das soeben Dargelegte entsprechend. Soweit derartige Arbeitsbedingungen auf einer Ausübung des arbeitgeberischen Direktionsrechts beruhen, kann auf die Ausführung zum arbeitgeberischen Weisungsrecht verwiesen werden (252). Dort ist bereits dargelegt worden, dass dieses Recht nach wohl herrschender Auffassung nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden darf.
Aus der Fülle denkbarer Regelungen, die eine unbillige Gestaltung anwaltlicher Arbeitsbedingungen beinhalten können, sollen im folgenden zwei herausgegriffen werden, die wohl auch in der Praxis eine gewisse Rolle spielen.
aa) Akquisitionspflichten
Gleiss berichtet, dass Arbeitgeberanwälte vom angestellten Anwalt erwarten, dass dieser Akquisition treibe und Mandanten ans Haus binde. Erfülle der Arbeitnehmeranwalt diese Erwartungen nicht, seien seine Chancen, sich hochzuarbeiten, gering. Dass dem jungen Anwalt womöglich entsprechende Pflichten auferlegt würden, sei allerdings selten. Gleiss meint, dies sei rechtlich auch "kaum zu machen". (253)
Trotz dieser geäußerten Zweifel ist zu befürchten, dass angesichts wachsenden Konkurrenzdruckes in der Anwaltschaft die Vereinbarung derartiger Akquisitionspflichten zunehmen wird.
Die dem Anwalt auch als Arbeitnehmer obliegende Pflicht zum sorgfältigen und kunstgerechten Arbeiten schließt sicherlich die Aufgabe mit ein, dem Mandanten die anwaltliche Tätigkeit mit ihren jeweiligen Grenzen und Möglichkeiten verständlich darzustellen. Gewinnt der Mandant aufgrund dieser sachdienlichen Erläuterungen den - hoffentlich zutreffenden - Eindruck, seine Interessen seien kompetent und seriös wahrgenommen worden, so wird ihn dies wahrscheinlich veranlassen, bei danach auftretenden Problemen wiederum die Kanzlei zu beauftragen, von deren Arbeit er diesen positiven Eindruck gewinnen konnte. Ebenso würde der angestellte Anwalt pflichtwidrig handeln, wenn er beispielsweise durch offensichtliches Desinteresse, Unfreundlichkeit oder Überheblichkeit die Mandanten "vergraulen" würde. Die Mandantschaft und der sogenannte "good will" sind das wichtigste Kapital einer Anwaltskanzlei und es obliegt dem angestellten Anwalt schon aufgrund der arbeitnehmerischen Treuepflicht (254) nach Kräften, vor allem durch kompetentes und seriöses Verhalten, dieses Kapital zu erhalten und auch zu mehren und, soweit möglich und zumutbar, alles zu unterlassen, was dem abträglich sein könnte.
Auf der anderen Seite ist dem angestellten Anwalt die gezielte Werbung um die arbeitgeberische Praxis standesrechtlich verboten (255). Auch der Arbeitgeberanwalt würde standeswidrig handeln, wenn er eine derartige Werbung durch seinen Angestellten auch nur dulden würde (s. § 83 I 2 Rili) (256).
Werden dem angestellten Anwalt Akquisitionspflichten auferlegt, bringt ihn dies, soweit damit nicht lediglich die soeben dargestellte Treuepflicht konkretisiert wird, in die Gefahr, bei dem Versuch der Erfüllung dieser Pflichten das Werbeverbot zu missachten.
Solche Pflichten beeinträchtigen außerdem die Unabhängigkeit des angestellten Anwalts vom Mandanten (257). Die Verpflichtung, Mandanten für die Kanzlei zu gewinnen und an diese zu binden, setzt ihn der Versuchung aus, diesen, wenn sie es verlangen, gegebenenfalls auch in pflichtwidriger Weise zu dienen. Diese Gefahren werden noch erheblich verstärkt, wenn vom Arbeitgeber sogar ein bestimmter Erfolg der Akquisitionsbemühungen gefordert wird.
Ein Rechtsgeschäft, das ein gesetzlich verbotenes oder sittlich missbilligtes Tun zum Gegenstand hat, ist seinem Inhalt nach sittenwidrig (258). Dem Arbeitnehmer kann daher solches Tun vom Arbeitgeber nicht abverlangt werden (259).
Werden dem Arbeitnehmeranwalt Akquisitionspflichten auferlegt, so werden damit zwar von ihm nicht unmittelbar Verstöße gegen das Standesrecht gefordert. Als sittlich anstößig ist es aber auch anzusehen, dass dadurch die erhebliche Gefahr solcher Verstöße begründet wird.
Man kann auch der Auffassung sein, hierdurch handele der Arbeitgeberanwalt selbst der in § 83 I Rili beschriebenen standesrechtlichen Pflicht (260) zuwider, weil er Verhalten provoziert, das er nicht einmal dulden darf, und seinem diesbezüglichen Verlangen sei daher gemäß § 134 BGB (eventuell in Verbindung mit § 43 BRAO) die rechtliche Anerkennung zu versagen (261).
Als Ergebnis ist somit festzuhalten, dass dem Arbeitnehmeranwalt Akquisitionspflichten, die über das hinausgehen, was sich selbstverständlich aus der allgemeinen Treuepflicht ergibt, nicht rechtlich wirksam auferlegt werden können.
bb) Beschränkung der Aufgaben des Arbeitnehmeranwalts auf bloße Hilfstätigkeiten
Es ist bereits dargelegt worden, dass es weder als standeswidrig noch als dem anwaltlichen Berufsbild unzulässigerweise widersprechend angesehen werden kann, wenn sich das Tätigkeitsfeld des angestellten Anwalts im wesentlichen auf die Erbringung wissenschaftlicher Hilfsdienste beschränken soll (262).
Allerdings hat vor allem der jüngere angestellte Anwalt, insbesondere der Berufsanfänger, ein besonderes Interesse daran, durch eine entsprechende Beschäftigung, die zur Berufsausübung notwendige praktische Erfahrung zu sammeln (263). Das Sammeln von Berufserfahrung ist nach einer Untersuchung neben anderen auch eines der wichtigsten Motive für die Aufnahme einer Beschäftigung im Angestelltenverhältnis (264).
Trotz dieser Interessen des einzustellenden Anwalts steht es dem arbeitgebenden Anwalt grundsätzlich frei, darüber zu entscheiden, welche Aufgaben er zu seiner Entlastung auf einen Mitarbeiter delegieren will. Setzen seine Mandanten ihr Vertrauen hauptsächlich in seine persönliche Kompetenz, ist er sogar, will er nicht den Verlust dieser Mandanten riskieren, gehindert, einen angestellten Anwalt mit eigenverantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben zu betrauen.
Es ist daher unbedenklich, wenn die Parteien von vornherein vereinbaren, dass sich die Aufgaben des angestellten Anwalts auf derartige Hilfstätigkeiten beschränken. Der anzustellende Anwalt weiß von vornherein, auf was er sich einlässt, wenn er den angebotenen Arbeitsplatz annimmt.
Eine andere Beurteilung ergibt sich allerdings dann, wenn der Arbeitsvertrag eine derartige eingeschränkte Tätigkeitsbeschreibung nicht enthält, der Arbeitgeberanwalt seinem Angestellten gleichwohl lediglich solche Hilfstätigkeiten zuweist.
Grundsätzlich kann zwar der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsvertrag die Tätigkeit nur fachlich umschreibt, sämtliche Arbeiten zuweisen, die sich innerhalb des vereinbarten Berufsbildes halten (265). Die Bestimmung der Arbeitsleistung ihrer Art nach ist aber Ausfluss des Direktionsrechts des Arbeitgebers (266), das dieser nur nach billigem Ermessen ausüben darf (267), weil er aufgrund dieses Rechts allein den Inhalt des Vertragsverhältnisses gestalten kann (268).
Der Arbeitgeberanwalt handelt treuwidrig, wenn er die durch die Begründung des Arbeitsverhältnisses genährte Erwartung vor allem des jüngeren Arbeitnehmeranwalts, durch die Beschäftigung im Angestelltenverhältnis die Berufsausbildung vervollständigen zu können, enttäuscht.
Gleiches gilt aber auch bei der Beschäftigung eines erfahrenen Kollegen. Dieser wird nämlich hierdurch geringerwertig beschäftigt. Eine geringerwertige Arbeit ist dann gegeben, wenn sie nach Tätigkeits- oder Berufsbild in der Sozialanschauung geringer bewertet wird (269) ). Bloße wissenschaftliche Hilfstätigkeit ist nach der Sozialanschauung als geringer als eine umfassende, weitgehend durch Eigenverantwortung geprägte (270) anwaltliche Tätigkeit zu bewerten. Eine geringerwertige Arbeit darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aber selbst bei gleichbleibender Vergütung nicht ohne Einverständnis zuweisen ( (271).
Wer als Anwalt angestellt ist, kann daher mit Recht erwarten, grundsätzlich mit allen in der Kanzlei, in der er beschäftigt ist, anfallenden anwaltlichen Aufgaben betraut zu werden.
Im Einzelfall muss es aber dir Entscheidung des Arbeitgeberanwalts obliegen, ob er den Arbeitnehmeranwalt mit einer bestimmten Aufgabe betraut. Er ist dem Mandanten für die ordnungsgemäße Erledigung verantwortlich. Seiner Beurteilung muss es unterliegen, ob das Vertrauensverhältnis zum Mandanten eine Delegation zulässt und ob der angestellte Anwalt zur Erledigung der fraglichen Aufgabe hinreichend kompetent ist. Der Arbeitnehmeranwalt kann daher keinen Anspruch darauf haben, dass ihm eine bestimmte Aufgabe zugewiesen wird.
Rechtsfolge eines Überschreitens der Grenzen der Weisungsbefugnis durch den Arbeitgeber ist es normalerweise, dass der Arbeitnehmer zur Verweigerung der zugewiesenen Arbeit berechtigt ist (272). Die hier zu beurteilende Problematik ist aber dadurch gekennzeichnet, dass die zugewiesene Tätigkeit kein "aliud" sondern insgesamt ein "minus" zur Tätigkeit ist, die dem Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag billigerweise zugewiesen werden darf. Wissenschaftliche Hilfsdienste gehören nämlich grundsätzlich zum Kreis der Aufgaben, die dem Mitglied eines arbeitsteilig und kooperativ handelnden Anwalt-"Teams" als zumutbar zugewiesen werden dürfen. Das berechtigte Interesse des Arbeitnehmeranwalts ist es also nur, solche Tätigkeiten nicht ausschließlich zugewiesen zu bekommen, sondern zusätzlich auch mit andersgearteten anwaltlichen Aufgaben betraut zu werden.
Durch die Verweigerung der zugewiesenen Arbeit allein würde der Arbeitnehmeranwalt zunächst schlechter dar stehen als zuvor. Mit ihr erreicht er zunächst das genaue Gegenteil von dem, was er anstrebt.
Auch ist zu berücksichtigen, dass zwar das Gesamtverhalten des Arbeitgebers unbillig ist, die einzelne Tätigkeitszuweisung für sich genommen aber nicht. Die Ausübung eines Verweigerungsrechts ist daher kein adäquates Mittel, um auf das zu beanstandende Verhalten des Arbeitgebers zu reagieren.
Der Arbeitnehmer muss allso seine Rechte auf einem an deren Weg wahren.
Die umfassende Ausübung anwaltlicher Tätigkeiten ist als Inhalt des Beschäftigungsanspruchs (273) des Arbeitnehmeranwalts anzusehen. Da dessen Inhalt wegen der oben dargelegten Entscheidungsprärogative des Arbeitgeberanwalts für die Zukunft wohl kaum so festgelegt werden kann, dass ein entsprechendes Urteil erfolgreich vollstreckt werden kann, ist weniger die Geltendmachung der zukünftigen Erfüllung desselben erfolgversprechend, sondern der angestellte Anwalt ist vielmehr darauf angewiesen, für die Verletzung dieses Anspruches in der Vergangenheit Schadensersatz zu verlangen, wobei die Schadensermittlung durch die Regelung des § 287 ZPO (274) erleichtert wird.