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II. Standesrecht und Zivilrecht

1. Einführung in die Problematik

Verhaltenserwartungen an den Rechtsanwalt ergeben sich sowohl aus dem Standesrecht als auch aus der Standesauffassung. Klärungsbedürftig ist, ob und gegebenenfalls in welcher Weise diese Verhaltenserwartungen bei der Anwendung des Zivil- oder Arbeitsrechts zu berücksichtigen sind. Dabei kommt eine Modifikation und auch eine Begründung zivil- und arbeitsrechtlicher Rechte und Pflichten durch Standesrecht und Standesauffassung in Betracht.

Man kann allerdings auch der Ansicht sein, Zivil- und Standesrecht seien zwei völlig getrennte Rechtskreise und um Standesrecht und Standesauffassung brauchesich folglich ein Zivil- bzw. Arbeitsrichter nicht zu kümmern, dies sei vielmehr ausschließlich Sache der Anwaltschaft und ihrer Berufsgerichte. Dementsprechend führt Feuerich (266) aus, § 43 BRAO sei eine typische Disziplinarvorschrift, die grundsätzlich keine zivilrechtlichen Auswirkungen habe; Verstöße gegen das Standesrecht führten grundsätzlich weder zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages, noch sei § 43 BRAO Schutzgesetz im Sinne von § 823 II BGB.

Es nehmen aber anerkanntermaßen und vielfältigerweise Regelungen anderer Rechtskreise - etwa des öffentlichen Rechts - Einfluß auf die Beantwortung zivil- und arbeitsrechtlicher Fragen. Gründe für eine insoweit singuläre Stellung des anwaltlichen Standesrechts sind nicht ersichtlich. Eine solche Stellung ließe sich auch schwerlich mit den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung vereinbaren.

Außerdem sind die Interessen der durch einen Standesverstoß Betroffenen nur unzureichend gewahrt, wenn ein solcher Verstoß nicht auch zivilrechtliche Folgen nach sich zieht. Die Auffassung Feuerichs wird dieser Problematik kaum gerecht.

Verstöße gegen Standespflichten sind daher nicht nur geeignet, disziplinarrechtliche Sanktionen auszulösen, sondern können in vielfältiger Weise auch auf die prozessualen oder materiellen Rechtsbeziehungen des Anwalts einzuwirken (267).

Einfallstor für die Regelungen anderer Rechtskreise und außerrechtlicher Verhaltenserwartung sind häufig die Generalklauseln des Zivilrechts. Selbst in den Fällen, in denen die Norm nicht ausdrücklich auf außerrechtliche Wertungen verweist, sind nämlich die unbestimmten Rechtsbegriffe und Generalklauseln "Fenster" oder "gesetzliche Einfallstore", durch die in ein scheinbar geschlossenes System außergesetzliche Wertungen und soziale Anschauungen hineinströmen (268).

Zu nennen sind hier in erster Linie die §§ 134, 138, 157, 242, 826 BGB. Auch alle anderen Normen, die zu ihrer Ausfüllung einer richterlichen Wertung unter Heranziehung der Umstände des Einzelfalles bedürfen, fordern den Richter dazu auf, in seine wertende Betrachtung auch Verhaltensgebote, die sich aus anderen Rechtskreisen oder anerkennenswerten Anschauungen ergeben, mit einzubeziehen.

2. Beispiele aus der Rechtsprechung

Die Zivilgerichte haben dementsprechend bei der Auslegung und Anwendung zzivilrechtlicher und zivilprozessualer Normen Standesrecht und Standesauffassung in geeigneten Fällen mitberücksichtigt.

So haben Zivilgerichte bei der zivilprozessualen Entscheidung, ob das Nichterscheinen oder die Verspätung eines Anwalts als Säumnis im Sinne der §§ 330, 331 I, 337 ZPO zu beurteilen ist, die in § 32 Rili festgestellte Standesauffassung (269) berücksichtigt. Beantragt der Gegenanwalt entgegen der in § 23 Rili beschriebenen Regel ein Versäumnisurteil, so soll dessen Erlaß gleichwohl unzulässig sein, da der nicht oder zu spät erschienene Anwalt habe darauf vertrauen können, dass der Gegenanwalt das Standesrecht beachte (270). Gegen ein dennoch erlassenes zweites Versäumnisurteil kann folglich nach § 513 II 1 ZPO vorgegangen werden (270).

Die Bestimmung des § 20 Rili hat das Oberlandesgericht Stuttgart veranlasst, eine unter Missachtung dieser Regel erhobene Klage als unzulässig anzusehen, da diese Regel eine Klagbarkeitsvoraussetzung statuiere, die als spezielle Verkehrssitte auch im Rechtsstreit vor dem Zivilgericht zu beachten sei (271). Dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof aber mit der Begründung aufgehoben, dass § 20 Rili weder als Klagbarkeitsvoraussetzung noch als Standessitte zu werten sei (272)).

Das Oberlandesgericht Köln hat entschieden, dass ein Verstoß gegen das Tätigkeitsverbot nach § 45 Nr. 4 BRAO die Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen dem verbotswidrig tätigen Anwalt und seinem Mandanten betreffend der anwaltlichen Tätigkeit zur Folge habe (273).

Aus der Feststellung in § 70 II Rili hat das OLG Koblenz hergeleitet, dass bei Ausscheiden eines Sozius aus einer Sozietät, der verbleibende Anwalt für zwei Jahre verpflichtet sei zu dulden, dass der Ausgeschiedene am Haus der bisherigen Kanzlei einen Hinweis auf seine neue Kanzlei anbringt (274).

Das OLG München hat ein Rechtsgeschäft, von dem es annahm, es sei unter Verstoß gegen § 146 StPO zustande gekommen (275), für nach § 134 BGB nichtig erachtet, weil das in § 146 StPO ausgesprochene Verteidigungsverbot im Zivilrecht seine Fortsetzung erfahren müsse, um durchgesetzt werden zu können (276).

Nach der Rechtsprechung sind Standesverstöße auch geeignet, Sittenwidrigkeit im Sinne des § 1 UWG zu begründen (277).

Gleiches gilt hinsichtlich § 138 I BGB. So hat der Bundesgerichtshof beispielsweise die Vereinbarung eines Erfolgshonorars für sittenwidrig im Sinne dieser Norm erachtet und in seiner Begründung ausdrücklich auf die entsprechende Standesauffassung (siehe § 52 Rili) Bezug genommen (278).

Auch Verhandlungen mit dem Gegner ohne dessen Anwalt (vergl. § 24 Rili) können nach Auffassung des Bundesgerichtshofs sittenwidrig sein und die Nichtigkeit der getroffenen Vereinbarung zur Folge haben (279). Dabei ist der Umstand, dass ein solches Verhalten standeswidrig ist, schon bei der Prüfung der Frage, ob gleichwohl eine Vereinbarung zustande gekommen ist, zu berücksichtigen (280).

Nach der Rechtsprechung schon des Reichsgerichts genügt nicht jedes Verhalten, das die Standespflichten verletzt, um eine Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 I BGB zu begründen (281). Es sei bei Rechtsanwälten, die berufen sind, bei der Wahrung des Rechts mitzuwirken, bei der Beurteilung der bürgerlich- rechtlichen Sittenwidrigkeit ein schärferer Maßstab anzulegen (282). Wegen der an Rechtsanwälte zu stellenden (besonderen) Anforderungen soll sogar ein Verstoß gegen die Standespflichten regelmäßig auch als sittlich anstößig zu empfinden sein (283).

3. Kritik der Rechtsprechung

In der Rechtsprechung ist zunächst eine Tendenz erkennbar, ohne Rücksicht auf die Feststellungen in den Rili selbst zu prüfen, ob innerhalb des Anwaltstandes eine einheitliche und gefestigte Standesauffassung besteht (284), bzw. inwieweit die Rili eine ständige Übung widerspiegeln (285). Auch ob eine Standesregel den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, wurde geprüft (286). Es ist sogar behauptet worden, es sei Sache der Gerichte, über das Maß der dem Rechtsanwalt obliegenden Pflichten unter der Beachtung öffentlicher Belange - selbst zu befinden (287).

Wenn sich die Rechtsprechung der Standesauffassung der Anwaltschaft angeschlossen hat, ist dies oftmals aufgrund eigener Erwägungen geschehen (288).

Da § 177 II Nr. 2 BRAO die Bundesrechtsanwaltskammer nicht zur Normsetzung ermächtigt (289), ist die Feststellung von Richtlinien im Rahmen dieser Norm Feststellung von Tatsachen, nämlich der Rechtsüberzeugungen der deutschen Anwaltschaft (290). Tatsachenfeststellung ist aber im Streitfalle Aufgabe des Gerichts.

Die Rili können ihm insoweit als allerdings unverbindliches Gutachten dienen (291). Der Stellenwert eines antizipierten Sachverständigengutachtens kommt ihnen jedoch nicht zu, da derartige Überzeugungen nicht wie technische Normen als sachgesetzlich vorgezeichnet anzusehen sind (292).

Außerdem ist festzustellen, der Konsens in der Anwaltschaft über berufsethische Fragen schwindet (293), wohl auch als Folge zunehmender Inhomogenität der Anwaltschaft (294). Dementsprechend ist die Feststellung der "Meinung gerecht denkender erfahrener" Anwälte jüngst als im Grunde unmöglich bezeichnet worden (295). Es mag zwar tatsächlich einen Bestand von Überzeugungen geben, die von einer großen Mehrheit von Rechtsanwälten akzeptiert und auch praktiziert wird (296), es ist aber zu Recht bezweifelt worden, ob diese Überzeugungen in den bestehenden Rili einen heute zeitgemäßen Ausdruck gefunden hat (297).

Aus diesen Gründen ist es gerechtfertigt, wenn die Gerichte eigenständig prüfen, inwieweit die Rili die Rechtsüberzeugungen der Anwaltschaft und eine darauf beruhende Übung tatsächlich widerspiegeln.

Zu fragen ist weiter nach den Kriterien, nach denen die Rechtsprechung anwaltliches Standesrecht oder anwaltliche Standesauffassung im Zivil- und Zivilprozessrecht berücksichtigt.

Die Rechtsprechung scheint sich hier am Schutzzweck der jeweiligen Norm bzw. Auffassung zu orientieren.

Der Schutz der Unabhängigkeit des Anwalts auch vom Mandanten im Interesse der Lauterkeit der Rechtspflege, den das Verbot des Erfolgshonorars bezweckt (298), ist durch eine nachträgliche ehrengerichtliche Ahndung des Standesverstoßes wohl nur als unzureichend gewährleistet anzusehen. Daher ist es naheliegend anzunehmen, eine effektive Durchsetzung dieses Verbotes erfordere, dass entgegenstehende Vereinbarungen auch zivilrechtlich für unwirksam erklärt werden.

Auch der Schutz des verspäteten oder nicht erschienenen Kollegen und des von ihm vertretenen Mandanten, vor allem in finanzieller Hinsicht, ist nur dann effektiv, wenn überhaupt kein Versäumnisurteil erlassen wird, denn eine nachträgliche ehrengerichtliche Ahndung des Verstoßes gegen die in § 23 Rili beschriebene Standesregel vermag die eingetretenen Folgen, die diese Regel vermeiden will, nicht wieder rückgängig zu machen.

Das OLG Köln stützt seine Entscheidung zur Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages wegen Verstoßes gegen § 45 Nr. 4 BRAO auf den Schutzzweck dieser Vorschrift (299).

Auch das OLG München stützt seine Entscheidung auf Schutzzweckerwägungen (300).

Der Bundesgerichtshof macht es schließlich von der Schutzbedürftigkeit des betroffenen Mandanten abhängig, ob ein unter Standesverstoß zustande gekommenes Rechtsgeschäft nichtig ist (301).

In diese Richtung weist auch, dass die höchstrichterliche Rechtsprechung in Hinblick auf einen Sittenverstoß bei einem Rechtsanwalt einen schärferen Maßstab angelegt hat, weil dieser an der Wahrung des Rechts (302) bzw. der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung mitzuwirken habe und Träger wichtiger, ihm im öffentlichen Interesse anvertrauter Aufgaben sei (303) oder die Sittenwidrigkeit von der Verletzung "wichtiger" Standesregeln abhängig gemacht hat (304).

Schließlich ist festzustellen, dass die Gerichte die Standespflichten oftmals im Rahmen des § 138 I BGB prüfen, also als Quelle dieser Pflichten eine Sittenordnung ansehen (305).

Bei der Ausfüllung der Generalklausel des § 43 BRAO, der allerdings den Begriff der "guten Sitten" nicht ausdrücklich erwähnt, hat die Rechtsprechung berücksichtigt, was im Einzelfall nach Auffassung angesehener und erfahrener Standesgenossen der Meinung aller anständig und gerecht Denkenden und der Würde des Anwaltstandes entspricht (306). Diese Formulierung lehnt sich erkennbar an die bekannte Formel zur Umschreibung der "guten Sitten" im Sinne der §§ 138, 826 BGB (307) und § 1 UWG (308) an, Auch in der Literatur wurden die Rili als Versuch einer schriftlichen Fixierung der innerhalb der Anwaltschaft gewachsenen Standessitte angesehen (310). Es ist daher naheliegend, Standespflichten im Rahmen des § 138 I BGB zu berücksichtigen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Köln (310) weist aber noch einen anderen Weg auf. Das Tätigkeitsverbot nach § 45 BRAO, dessen Nr. 4 im dortigen Falle einschlägig war, erstreckt sich nach dessen Nr. 1 auch auf ein dem Rechtsanwalt zugemutetes Verhalten, durch das er "seine Berufspflichten verletzen würde".

§ 45 Nr. 1 BRAO nimmt auf die Berufspflichten Bezug, die sich aus der Generalklausel des § 43 BRAO ergeben (311). § 45 Nr. 1 BRAO ist allerdings als überflüssig bezeichnet worden, da er nicht mehr besagt als die Generalklausel des § 43 BRAO (312). Da Normierung von Pflichten stets das grundsätzliche Verbot pflichtwidrigen Verhaltens enthält, hat § 45 Nr. 1 BRAO in der Tat nur eine verdeutlichende Funktion. Als eigentliche Verbotsnorm ist daher § 43 BRAO anzusehen.

Somit kann ein Verstoß gegen die Standespflichten auch als Gesetzesverstoß - nämlich gegen § 43 BRAO - aufgefasst werden, der zur Nichtigkeit des betreffenden Rechtsgeschäft gemäß § 134 BGB führen würde, sofern die übrigen Voraussetzungen zur Anwendung dieser Norm vorliegen. Für das Deliktsrecht wäre dann - entgegen der Ansicht von Feuerich (313) - § 823 II BGB die einschlägige Norm.

Ob die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäft sich aus § 134 BGB oder § 138 BGB ergibt, ist aus praktischer Sicht eigentlich unerheblich. Praktisch relevante Unterschiede ergeben sich allenfalls im Deliktsrecht.

Insgesamt dürfte es aber sachgerechter sein, die zivilrechtliche Beachtlichkeit des anwaltlichen Standesrechts primär aus § 134 BGB herzuleiten. Standesregeln, die den Anforderungen der jüngsten bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (314) genügen, stellen echte Rechtsregeln dar, andernfalls könnten sie keine Regelungen im Sinne des Art. 12 I 2 GG sein.

§ 134 BGB hat grundsätzlich Vorrang vor § 138 BGB (315).

Richtet sich allerdings die betreffende standesrechtliche Regel nicht gegen das fragliche Rechtsgeschäft, so könnte es auch dann nach § 138 BGB nichtig sein, wenn nämlich weitere über den Standesverstoß hinausgehende sittenwidrige Umstände vorliegen (316).

Von § 43 BRAO werden aber nur solche Pflichten erfasst, deren Begründung den Maßstäben der jüngsten Verfassungsgerichtsentscheidungen (317) standhält. Aus der anwaltlichen Sitte könnte sich, jedenfalls in bezug auf das bürgerliche Recht, ein darüber hinaus- gehender Pflichtenkreis ergeben. Ob eine solche weitergehende Sitte überhaupt noch existiert, ist aber zweifelhaft.

Die Verjüngung und Vergrößerung der Anwaltschaft (317) und ihre zunehmende Inhomogenität (318) erwecken gewichtige Zweifel daran, ob insoweit noch ein hinreichender Konsens unter den Rechtsanwälten besteht. Auf den Gegenstand dieser Arbeit bezogen, lässt sich diese Frage jedenfalls verneinen.

In bezug auf die Bestimmungen der §§ 19 III, 20 Rili konnte schon der Bundesgerichtshof keine eine entsprechende Überzeugung anzeigende Übung (mehr) feststellen (319).

Eine Einigkeit der betreffenden Kreise darüber, welche Kautelen im einzelnen das Beschäftigungsverhältnis des anwaltlichen Mitarbeiters angemessen regeln (s. § 81 Rili) und inwieweit ein Abweichen davon verwerflich erscheint, ist ebenfalls nicht feststellbar (320). Es kann daher nur auf allgemeine arbeits- und zivilrechtliche Maßstäbe zurückgegriffen werden, wo- bei jetzt schon gesagt werden kann, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die Leistungsbereitschaft und Seriösität der Rechtsanwälte mit ins Kalkül einzubeziehen ist.

Das Verbot der Abwerbung von Mitarbeitern (§ 88 Rili) ist wegen der oben dargelegten verfassungsrechtlichen Erwägungen (321) weder als geltendes Gewohnheitsrecht noch als beachtenswerte ("gute") Sitte anzuerkennen.

Beschäftigungsverhältnisse unter Rechtsanwälten sind somit nur standesrechtlichen Regeln unterworfen, weil eine darüber hinausgehende Standessitte nicht feststellbar ist.

4. Folgerung

Im Zivil- und Arbeitsrecht ist das Standesrecht bei Ausfüllung wertungsbedürftiger Normen zu berücksichtigen, wenn und soweit es die Verwirklichung des Zwecks einer Standesregel erfordert.

Dabei ist zu beachten, dass das Standesrecht - jedenfalls primär - nur den Schutz der Rechtsuchenden und der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege bezweckt, was aber nicht ausschließt, dass es in Verfolgung dieser Zwecke gelegentlich auch den Anwalt vor dem Verhalten des Kollegen schützen muss (322).

Der Zivil- oder Arbeitsrichter hat also zu prüfen, welche Zwecke die Standesregeln verfolgen und ob und in welcher Weise ihnen Rechnung zu tragen ist.

Wegen der primären Schutzrichtung des Standesrechts folgt daraus, dass bei der Beurteilung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit einem Beschäftigungsverhältnis unter Rechtsanwälten auch die Belange der Rechtsuchenden und der Allgemeinheit Berücksichtigung finden müssen.

Die Prüfung kann ergeben, dass zivil- oder arbeitsrechtliche Pflichten oder Rechte in Hinblick auf das Standesrecht zu begründen oder modifizieren sind.