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D. Die freie Mitarbeit

I. Einführung in den Problembereich

Rechtsanwälte bedienen sich oftmals der Mitarbeit anderer Anwälte, die vertraglich als "freie" Mitarbeiter bezeichnet oder als solche angesehen werden. Mit dieser Vertragsgestaltung will der einstellende Anwalt möglicherweise der (eigenen) Standesauffassung Rechnung tragen, wonach ein Anwalt nicht Arbeitnehmer sein können soll. Er meint vielleicht, die anwaltliche Unabhängigkeit lasse nur eine "freie" Mitarbeit zu (1).

Oftmals sollen jedoch nur die den Arbeitgeber belastenden sozialen Folgen eines Arbeitsverhältnisses vermieden werden; soll vor allem der Einzustellende keinen Bestandsschutz genießen (2). Angesichts der in der Einleitung beschriebenen "Schwemme" von Volljuristen (3) ist zu erwarten, dass die Zahl derer, denen ein derartiger Status zugewiesen wird, eher zunehmen wird (4).

Andererseits haben aber Mitarbeiter nicht selten ein eigenes Interesse an einer derartigen Mitarbeit, besonders dann, wenn sie sich materielle oder ideelle Vorteile von einer "lockereren" Bindung an den Dienstherrn und der sich daraus ergebenden "Freiheit" versprechen (5).

Die Tätigkeiten, die der als freie Mitarbeiter beschäftigte Anwalt vertragsgemäß zu verrichten hat, unterscheiden sich oftmals kaum von denen, die auch angestellte Anwälte verrichten (6).

Zwischen Selbständigkeit und Unselbständigkeit gibt es keine naturgegebene feste Trennungslinie. Übergangsformen sind möglich. (7)

Wegen der noch zu beschreibenden, erheblichen Konsequenzen, welche sich aus der Unterscheidung zwischen bloßem Dienstverhältnis und Arbeitsverhältnis ergeben, ist deren Abgrenzung das bedeutendste Problem bei der Behandlung der freien Mitarbeit.

"Freie" Mitarbeit kann zwar auch einen Werkvertrag oder eine Folge von Werkverträgen zum Inhalt haben (8). Werkvertragliche Leistungen kommen bei Rechtsanwälten praktisch nur als Anfertigung von Schriftstücken - z. B. Gutachten, Schriftsätzen und Schreiben - in Betracht (9). Darüber hinausgehende Tätigkeiten - z. B. Beratung, Prozessführung, Terminwahrnehmung - haben dienstvertraglichen Charakter. Daher ist eine werkvertragliche Qualifizierung der Mitarbeit nur dann möglich, wenn sie sich ausnahmsweise auf die zu- erst angeführten Tätigkeiten beschränken sollte. Aufgrund des Ausnahmecharakters einer solchen Mitarbeit sollen die sich daraus ergebenden Rechtsfragen im folgenden vernachlässigt werden. Soziale Probleme ergeben sich aus einer werkvertraglichen Mitarbeit nur dann, wenn sie zu einer ständigen Mitarbeit in Form einer Folge von Einzelaufträgen wird. Dann wird man wohl in vorsichtiger Weise die zum freien Dienstvertrag beschriebenen Gedanken zum Sozialschutz des freien Mitarbeiters (10) entsprechend heranziehen können.

II. Abgrenzung zum angestellten Anwalt

1. Der Begriff des "freien Mitarbeiters"

Der Ausdruck freier Mitarbeiter wird im unterschiedlichen Sinne gebraucht (11). Die Stellung eines "freien Mitarbeiters" ist rechtlich nicht eindeutig bestimmt und kann im einzelnen sehr unterschiedlich gestaltet sein (12).

In der betrieblichen Praxis wird als freier Mitarbeiter derjenige bezeichnet, der nicht Arbeitnehmer sein soll, also jemand, für den die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften nicht gelten oder zumindest nicht gelten sollen. Dem entspricht gerade der Unterschied zwischen Arbeitsvertrag und freiem Dienstvertrag. (13)

Die in der Praxis übliche Bezeichnung knüpft also nicht an die tatsächlichen Gegebenheiten und Umstände des Beschäftigungsverhältnisses an, sondern an die gewünschten Rechtsfolgen.

Wesentliches Problem der "freien" Mitarbeit ist - wie gesagt - die Abgrenzung zwischen einem freien Dienstverhältnis und einem Arbeitsverhältnis. Dieser Abgrenzung entspricht die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmer und Nicht-Arbeitnehmer. Diese Unterscheidung bildet zugleich die Umgrenzung des Arbeitsrechts, jedenfalls soweit es seinen vollen sozialen Schutz entfaltet (14).

a) Gesetzliche Grundlagen

Weder der Begriff des Arbeitnehmers noch der des Arbeitsvertrages sind gesetzlich definiert (15). Das Bürgerliche Gesetzbuch spricht lediglich von Dienstverhältnissen, die kein Arbeitsverhältnis sind (§ § 621, 627) und von Arbeitsverhältnissen (§ § 613a, 622), im übrigen von Arbeitnehmern (Angestellten und Arbeitern) und Arbeitgebern (§ § 196 I Nr. 9, 611a f., 612a, 613a, 622), ohne diese Begriffe näher zu um- schreiben. Abgrenzende Kriterien negativer Art enthalten allerdings die § § 84 I 2, II HGB und 12 a TVG.

Das Steuerrecht nimmt eine Unterscheidung zwischen nichtselbständiger und selbständiger Arbeit (§ § 2 I Nr. 3 und 4, 38 EStG, 1 LStDV), sowie selbständiger Tätigkeit als Unternehmer (§ 2 UStG) vor. Nach § 1 II 2 LStDV ist Arbeitnehmer - und damit nicht selbständig - der Dienstnehmer, der in der Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung eines anderen (des Arbeitgebers) steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Nach § 2 II Nr. 1 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit dann nicht selbständig ausgeübt, soweit natürliche Personen, einzeln oder zusammengeschlossen, einem Unternehmen so eingegliedert sind, dass sie den Weisungen des Unternehmens zu folgen verpflichtet sind.

Auch das allgemeine Sozialrecht grenzt die nicht selbständige Arbeit von selbständiger Tätigkeit ab (§ 7 SGB-IV). Nach dem Wortlaut des § 7 I SGB IV ist bemerkenswerterweise eine Arbeitsverhältnis lediglich ein Beispiel für ein Beschäftigungsverhältnis, in welchem nicht selbständige Arbeit geleistet wird, ohne dass zunächst weitere Anwendungsfälle ersichtlich sind (16). Das Angestelltenversicherungsgesetz schließlich enthält keine allgemeine Umschreibung des Arbeitnehmers, sondern grenzt lediglich die Arbeiter von den Angestellten anhand eines exemplarischen Katalogs ab (§ 3 AngVG).

Als freier Mitarbeiter kann zurecht also nur der bezeichnet werden, der steuer- und sozialversicherungsrechtlich eine selbständige Tätigkeit ausübt und nicht Arbeitnehmer ist. Tatsächlich wird als freier Mitarbeiter der bezeichnet, der steuer- und sozialversicherungsrechtlich wie ein Selbständiger behandelt werden und nicht den Schutz des Arbeitsrechts genießen soll.

b) Schwierigkeiten der Abgrenzung im Einzelfall

Auf dem aufgezeigten schmalen normativen Fundament musste - und muss wohl auf absehbare Zeit weiterhin - die Rechtsprechung dreier Gerichtszweige versuchen, eine zentrale soziale Frage zu lösen, deren Beantwortung im Einzelfall existentielle Bedeutung haben kann.

Schwierig ist die Abgrenzung im praktischen Einzelfall besonders dadurch, dass das Prinzip der Vertragsfreiheit den Beteiligten die Möglichkeit gibt, ihre Beziehungen fast beliebig den Besonderheiten des Einzelfalles anzupassen und persönlichen Bedürfnissen und Wünschen weitgehend Rechnung zu tragen, wodurch eine Fülle von Übergangsformen entsteht, deren rechtliche Qualifikation naturgemäß besonders schwer fällt (17). Ein sehr variabler Tatbestand muss also mit weitgehend zwingenden arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Folgen im Sinne einer bloßen Alternative verknüpft werden, eine Aufgabe, die oftmals noch dadurch erschwert wird, dass es zumindest einem der Beteiligten darauf ankommt, den zwingenden Rechtfolgen möglichst zu entgehen, ohne sich allzuweit vom Tatbestand eines Arbeitsverhältnisses zu entfernen (18).

Die große Variabilität der Lebenssachverhalte dürfte auch der Grund für das Fehlen einer gesetzlichen Definition des Arbeitsverhältnisses sein (19). Die Erfassung und Ordnung dieser Vielfalt überlässt der Gesetzgeber offenbar in Erkenntnis seiner begrenzten Möglichkeiten zur Lösung dieser Aufgabe der Rechtsprechung. Dies hat den Vorteil, dass der Arbeitnehmerbegriff stets neuen, aus praktischen Bedürfnissen entstehenden Gestaltungen des Austauschs von Dienstleistungen gegen Entgelt angepasst werden kann (20).

Unter Rechtsanwälten sind zudem die Modalitäten der Mitarbeit oft recht vage abgesprochen, und es wird vielfach auf eine schriftliche Fixierung der Vereinbarung verzichtet. Konkret abgesprochen wird häufig nur die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Mitarbeit und die Höhe der Entlohnung (21).

Häufig ist das Verhältnis auch auf eine Entwicklung angelegt. Der Mitarbeiter, dem anfänglich nicht einmal Unterschriftsbefugnis eingeräumt wird (22) und der zunächst nur Hilfstätigkeiten ausübt, soll später vielleicht einmal Sozius des Dienstherrn werden, der ihm im Laufe der Zeit zunehmende Selbständigkeit und Eigenverantwortung einräumt. Dies bedeutet, dass auch die tatsächliche Ausgestaltung der Beschäftigungsbedingungen im Laufe der Dauer des Dienstverhältnisses häufig einem gewissen Wandel unterliegt.

2. Rechtsfolgen der Qualifikation eines Dienstverhältnisses als freie Mitarbeit

Bevor die Abgrenzungskriterien im einzelnen erörtert werden sollen, ist es zum besseren Verständnis tunlich, einen kurzen Blick auf die Rechtsfolgen der Qualifikation zu werfen. Später (unter III (23)) sollen auch die Folgen einer unzutreffenden Qualifikation dargestellt werden.

a) Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutznormen

Der freie Mitarbeiter ist kein Arbeitnehmer. Dies bedeutet, dass er jedenfalls nicht den vollen sozialen Schutz des Arbeitsrechts genießt. Ausdrücklich gelten die meisten arbeitsrechtlichen Regelungen nur für Arbeitnehmer oder Arbeitsverhältnisse.

Jedoch kann eine soziale Schutzbedürftigkeit freier Mitarbeiter nicht in Abrede gestellt werden. Dies hat einerseits zu Überlegungen geführt, ob der Arbeitnehmerbegriff als zentrales Tatbestandsmerkmal des Arbeitnehmerschutzrechts seine Funktion noch erfüllen kann (24). Anderseits ergab sich schon früh die Frage, ob und inwieweit gewisse, für abhängige Arbeitsverhältnisse gegebene Vorschriften und Grundsätze wenigstens entsprechend oder sinngemäß auf selbständige Dienstverträge anzuwenden sind (25). Von gegenwärtigem praktischen Interesse ist nur die letzte Frage; ihr soll im folgenden nachgegangen werden.

aa) Urlaubsanspruch

Anspruch auf jährlichen bezahlten Erholungsurlaub hat nach § 1 BUrlG nur der Arbeitnehmer. Nach § 2 S. 2 BUrlG gelten jedoch auch arbeitnehmerähnliche Personen als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes. Auf diesen Personenkreis, insbesondere auf seine Abgrenzung, soll später noch eingegangen werden (26).

Die übrigen in einem selbständigen Dienstverhältnis stehenden Personen scheiden aus dem persönlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes aus (27).

Die allgemeinen Grundsätze des Urlaubsrecht können jedoch auch auf die Dienstverhältnisse von Personen Anwendung finden, die weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Beschäftigte sind (28).

bb) Mutterschutz

Nach § 1 Nr. 1 MuSchG gilt dieses Gesetz nur für Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen. Unabwendbar ist dieses Gesetz selbst auf arbeitnehmerähnliche Personen (29), soweit es sich nicht um Heimarbeiterinnen oder ihnen Gleichgestellte handelt (§ 1 Nr. 2 MuSchG).

Zeuner tritt allerdings für ein Leistungsverweigerungsrecht der werdenden Mutter in Anlehnung an die Beschäftigungsverbote dieses Gesetzes ein (30).

cc) Anwendbarkeit der Grundsätze bezüglich des Schadensausgleichs bei gefahrgeneigter Arbeit

Es ist behauptet worden, es gäbe wohl kaum einen Arbeitsbereich, auf den der Begriff der "schadensgeneigten Tätigkeit" besser zuträfe, als auf den des Rechtsanwalts. Es gäbe einen Vielzahl von Möglichkeiten, im Rahmen der anwaltlichen Berufstätigkeit zur Haftung herangezogen zu werden. (31)

Die Haftungsgefahr wird zwar durch die gebotene Vermögensschadenhaftpflichtversicherung in angemessener Höhe (32) begrenzt; dennoch ist dieses Thema wegen der grundsätzlichen Selbstbeteiligung relevant.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gilt der arbeitsrechtliche Grundsatz, dass der mit gefahrengeneigter Tätigkeit beschäftigte Arbeitnehmer dem Arbeitgeber für fahrlässig verursachte Schaden nur beschränkt haftet, nicht für die Dienstverträge der selbständig Tätigen (33). In dieser Entscheidung behandelt der Bundesgerichtshof sowohl den Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht (34) als auch den des Betriebsrisikos (35). Beide Gesichtspunkte führen nach seiner Ansicht zu einer Beschränkung der Anwendung der fragliche Grundsätze auf Arbeitsverhältnisse.

Das OLG Celle hält allerdings Fallgestaltungen für denkbar, in denen das Verlangen nach vollem Schadensersatz zu schlechthin unerträglichen Ergebnissen führen würde und deshalb hinter dem allgemeinen Gerechtigkeitsgebot zurückstehen muss (36). Die Haftung kann daher nach § 242 BGB dann summenmäßig zu begrenzen sein, wenn ein erheblicher Schaden entstanden ist und es dem Auftraggeber unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Lage, insbesondere eines ihm zuteil werdenden vollständigen Versicherungsschutzes im Vergleich zu der sozial und wirtschaftlich schwächeren Stellung des Auftragnehmers zugemutet werden darf, einen Teil des Schadens selbst zu tragen (37).

Eine derartige summenmäßige Begrenzung ist für den Rechtsanwalt als freien Mitarbeiter in der Regel schon durch den Eintritt der gebotenen Vermögensschadenshaftpflichtversicherung gegeben. Nur in den Fällen, in denen der Schaden die Höchstsumme einer als angemessen anzusehenden Versicherung übersteigt, kann unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Einzelfall an einen von der gesetzlichen Regel abweichenden Schadensausgleich gedacht werden. In einem solchen Fall kann auch ein Mitverschulden des dienstberechtigten Anwalts in Betracht kommen.

Regelmäßig muss also der freie Mitarbeiter auch für von ihm nur fahrlässig verursachten Schäden in voller Höhe haften. Dieses Risiko wird aber bei Rechtsanwälten durch die gebotene Haftpflichtversicherung begrenzt bzw. gemildert.

dd) Entgeltfortzahlung

Nach § 616 I 1 BGB behält der Dienstnehmer - also auch der freie Mitarbeiter - in Abweichung von den Regeln über die teilweise Unmöglichkeit den Anspruch auf die volle Vergütung, wenn er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist (38)

Dem freien Mitarbeiter, der weder Angestellter noch Arbeiter oder im Bereich der Heimarbeit Tätiger ist, kommt jedoch nicht der Schutz der Unabdingbarkeit nach § 616 II BGB oder § 9 LohnfortzG zugute.

Auch das Gesetz zur Regelung der Lohnzahlung an Feiertagen gilt nur für Arbeitnehmer (§ 1 I) und in Heimarbeit Beschäftigte (§ 2).

ee) Kündigungsschutz

Für ein Dienstverhältnis, das nicht Arbeitsverhältnis ist, gelten lediglich die Kündigungsfristen des § 621 BGB. Es gelten nicht die privilegierten Kündigungs-fristen des § 622 BGB (39)

Darüber hinaus gilt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgendes:
Ist ein freier Mitarbeiter wirtschaftlich völlig von einem Auftraggeber abhängig, der ihm jahrelang ständig Einzelaufträge erteilt hat, so entsteht über die Vertragsbeziehung im Einzelfall hinaus ein arbeitnehmerähnliches Dauerrechtsverhältnis, das mangels Vorliegens eines wichtigen Grundes nur Einhaltung einer Ankündigungsfrist (Auslauffrist) von zwei Wochen beendet werden kann. Während dieses Zeitraums hat der freie Mitarbeiter noch Anspruch auf Fortzahlung des durchschnittlichen bisherigen Verdienstes. (40)

Dies leitet das Bundesarbeitsgericht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn her (41).

Durch das Kündigungsschutzgesetz werden nur Arbeitnehmer geschützt (42) (s. § 1 KSchG). Nach herrschen- der Meinung ist eine entsprechende Anwendung auf arbeitnehmerähnliche Personen ausgeschlossen (43). Auch der Kündigungsschutz nach dem Schwerbehindertengesetz knüpft an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses an (§ 12 SchwbG) (44).

Selbst arbeitnehmerähnlichen Personen ist also weder allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz noch besonderer Kündigungsschutz (45) zu gewähren (46).

Der freie Mitarbeiter kann gegen eine Kündigung also allenfalls den Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) geltend machen (47).

ff) Wettbewerbsverbote

Dass der Arbeitnehmer während des bestehenden Arbeitsverhältnisses seinem Arbeitgeber keinen Wettbewerb machen darf, folgt aus der Treuepflicht (48). Allerdings sind bei einer freien Mitarbeit die Treuepflichten des Mitarbeiters und die Fürsorgepflichten des Prinzipals nicht im gleichen Umfang und in gleicher Stärke ausgeprägt wie bei einem Arbeitsverhältnis (49)

Demgemäß hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es mangels einer entsprechenden Vereinbarung von den besonderen Umständen des Einzelfalles abhänge, ob und welche Eigenaufträge der freie Mitarbeiter - im entschiedenen Fall einer Unternehmensberatungs- Firma - während des Vertragsverhältnisses übernehmen darf (50). Rigoroser entschied allerdings das OLG Düsseldorf, dass der freie Mitarbeiter in gleicher Weise einem Wettbewerbsverbot unterläge wie ein angestellter Anwalt (51). Auch einem freien Mitarbeiter soll es daher verwehrt sein, ohne Zustimmung des Vertragspartners eigene Mandanten zu betreuen, und ein Verstoß gegen das Konkurrenzverbot soll auch in diesem Fall regelmäßig einen Grund zur fristlosen Kündigung nach § 626 BGB darstellen (52).

Während den Ausführungen des OLG Düsseldorf in Bezug auf ein Angestelltenverhältnis unter Rechtsanwälten zu folgen ist (53), muss die Frage eines Wettbewerbsverbot während der Dauer einer freien Mitarbeit differenzierter beurteilt werden. Angestellter und freier Mitarbeiter können in Bezug auf diese Frage nicht "über einen Kamm geschoren werden".

Dem freien Mitarbeiter ist zunächst die Fortführung der eigenen Praxis gestattet, sofern er sie bei der Anstellung bereits betrieb und dem Prinzipalanwalt dies bekannt war (vergl. § 60 II HGB). Ihm ist ferner eine Tätigkeit in eigener Kanzlei gestattet, sofern über die Errichtung einer Kanzlei in den Räumen des Prinzipals oder den Ersatz der mit einer anderwärtigen Kanzlei verbundenen Kosten keine Vereinbarung getroffen wurde (54). Der freie Mitarbeiter kann insoweit nicht schlechter gestellt werden als der angestellte Anwalt.

Sodann ist zu beachten, dass der Nachteil fehlenden arbeitsrechtlichen Vollschutzes selbst bei arbeitnehmerähnlichen Personen gerade durch die Chance zu erhöhter Mobilität (teilweise) kompensiert wird. Selbst der arbeitnehmerähnlichen Person dürfen daher nur mit äußerster Vorsicht solche Treuepflichten auferlegt werden, die den Beschäftigten in seiner beruflichen Mobilität beschränken. (55)

Dementsprechend haben die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit den Umstand, ob der Beschäftigte Nebentätigkeiten ausüben darf, bei der Beurteilung der Frage, ob er Arbeitnehmer ist oder nicht, als Kriterium herangezogen (56). Auch bei der diesbezüglichen Statusbeurteilung eines mitarbeitenden Rechtsanwalts wurde es für erheblich angesehen, ob er berechtigt war eigene Mandate zu übernehmen (und diese selbst abzurechnen) oder nicht (57). Man wird also sagen können, das sich die "Freiheit" des (echten) freien anwaltlichen Mitarbeiters gerade auch darin manifestiert, dass er durch Bearbeitung eigener Mandate in einem gewissen Wettbewerb zum beschäftigenden Anwalt treten darf. Abreden, die dies ausschließen, dürften regelmäßig die Annahme nahelagen, dass es sich bei dem Beschäftigten in Wahrheit um einen Arbeitnehmer handelt.

Der freie Mitarbeiter ist also grundsätzlich berechtigt, eigene Mandate außerhalb der Praxis, in der er mitarbeitet, zu führen. Ebenso wie ein Arbeitnehmeranwalt in vergleichbarer Situation (58) hat sich allerdings jeglicher Beeinflussung tatsächlicher oder voraussichtlicher Mandanten mit dem Ziel der Abwerbung zu enthalten. Gleiches gilt hinsichtlich einer Tätigkeit als Mitarbeiter in einer anderen Anwaltskanzlei.

Damit ist die Lösung der Frage der Verbindlichkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote präjudiziert.
Allerdings sind bei mit freien Mitarbeitern vereinbarten Wettbewerbsverboten die § § 74 ff. HGB auch nicht analog anwendbar (59). § 138 I BGB setzt solchen Wettbewerbsabreden allerdings Grenzen (60). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf ein Wettbewerbsverbot den Verpflichteten in der Berufsausübung nicht übermäßig beschränken und damit nicht über die schützenwerten Interessen des Begünstigten hinausgehen (61). Es bedarf angesichts der von unserer Rechtsordnung getroffenen Entscheidung für die Wettbewerbsfreiheit des Nachweises schützenwerter Interessen des Begünstigten, um die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots zu rechtfertigen (62).

Unterliegt der freie Mitarbeiter während der Beschäftigungsdauer keinem Wettbewerbsverbot, so lassen sich schwerlich Gründe finden, die ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot rechtfertigen (63). Nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die freie Mitarbeiter binden sollen, sind also grundsätzlich unwirksam.

Im übrigen kann auch § 1 GWB eingreifen, wenn die vereinbarte Wettbewerbsbeschränkung für ein Beschäftigungsverhältnis nicht notwendig ist (64).

Gegen unlauteres Handeln des ehemaligen Mitarbeiters kann sich der ehemalige Prinzipal nach § 1 UWG wehren (65). Ihm schützt zudem die in § 82 Rili festgestellte Standesregel (66).

gg) Rechtsweg

Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern (bzw. ihren Hinterbliebenen) und Arbeitgebern sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig (§ 2 I Nr. 3, 4 a, II ArbGG). Gleiches gilt hinsichtlich anderer bürgerlicher Streitigkeiten, an denen Arbeitnehmer (bzw. ihre Hinterbliebenen) beteiligt sind (§ 2 I Nr. 4 b, 6, 9 ArbGG).

Gemäß § 5 I 2 ArbGG gelten als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes auch Personen, "die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind".

Die übrigen freien Mitarbeiter müssen ihre Streitigkeiten vor den ordentlichen (Zivil-) Gerichten austragen.

Bedeutsame Unterschiede ergeben sich vor allem hinsichtlich der Kosten, der Kostentragungspflicht und der (unter Rechtsanwälten allerdings weniger relevanten) Frage des Anwaltszwangs (vergl. §§ 11 ff. ArbGG und die entsprechenden Vorschriften für das Verfahren vor den Zivilgerichten). Insbesondere § 12 VII 1 ArbGG ist im Verfahren vor den allgemeinen Zivilgerichten nicht anwendbar (67). Allerdings kann der Streitwert einer Vergütungsklage eines freien Mitarbeiters auch nach § 17 III GKG zu bemessen sein (67). Auch werden Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen im allgemeinen schneller erledigt als vor den Zivilgerichten. Dies gilt insbesondere für Kündigungssachen (vergl. § 61 a ArbGG).

b) Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Folgen
aa) Steuerrechtliche Folgen

Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wird die Einkommensteuer gemäß § 38 I 1 EStG durch Abzug vom "Arbeitslohn" als Lohnsteuer erhoben. Nach § 38 II 1 EStG ist der "Arbeitnehmer" Schuldner der Lohnsteuer. Gemäß § 38 III 1 EStG hat der "Arbeitgeber" die Lohnsteuer für Rechnung des "Arbeitnehmers" bei jeder Lohnzahlung vom "Arbeitslohn" einzubehalten.

§ 1 LStDV definiert den Begriff des "Arbeitnehmers". Danach ist Arbeitnehmer derjenige Dienstnehmer, der in der Betätigung seines geschäftlichen Willens unter der Leitung eines anderen steht oder im geschäftlichen Organismus eines anderen, dessen Weisungen zu folgen, verpflichtet ist. Inwieweit der steuerrechtliche und der arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff übereinstimmen, soll später noch untersucht werden (68).

Ein selbständiger Rechtsanwalt hat seine Einkünfte, auch die aus einer wirklich "freien" Mitarbeit, als Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 I Nr. 1 EStG zu versteuern (69).

Der wirklich "freie" Mitarbeiter ist auch als Mitarbeiter Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes, da seine Mitarbeit die selbständige Ausübung einer beruflichen Tätigkeit darstellt (§ 2 I 1 UStG).

Demgegenüber ist nach § 2 I Nr. 1 UStG nicht Unternehmer und damit auch nicht umsatzsteuerpflichtig, wer als natürliche Person, einzeln oder mit anderen zusammengeschlossen, "einem Unternehmen so eingegliedert ist, dass er den Weisungen des Unternehmens zu folgen verpflichtet ist". Lohnsteuerpflicht einerseits schließt also Unsatzsteuerpflicht andererseits aus (70). Die Entgelte des Arbeitnehmeranwalts unterliegen also nicht der Umsatzbesteuerung, wohl aber die des freien Mitarbeiters.

Sowohl im Umsatzsteuerrecht als auch im Einkommensteuerrecht kommt es auf die wirtschaftliche Selbständigkeit nicht an, so dass arbeitnehmerähnliche Personen, die in bloß wirtschaftlicher, nicht aber auch persönlicher Abhängigkeit Arbeit leisten, Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes und dementsprechend auch nicht lohnsteuerpflichtig sind (71).

Bei der Gewerbesteuer ergeben sich noch keine Unterschiede, da auch der selbständige Rechtsanwalt kein Gewerbe im Sinne des § 2 GewStG ausübt.

bb) Sozialversicherungsrechtliche Folgen

Das primäre Ziel des Sozialversicherungsrechts ist der Schutz der abhängig arbeitenden Bevölkerung (72). Die Sozialversicherungsgesetze knüpfen die Versicherungs- und Beitragspflicht an Begriffe wie Beschäftigung als Arbeitnehmer, Beschäftigung als Arbeiter oder Angestellter oder Beschäftigung aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses (73). Die Zugehörigkeit zur Kategorie der Arbeitnehmer ist demgemäß der wichtigste Schlüssel zur Anwendbarkeit des Sozialversicherungsrechts (74).

Gemäß § 165 I Nr. 1 und 2 RVO sind gesetzlich krankenversichert "Arbeiter" und "Angestellte". Die übrigen Ziffern dieser Vorschrift sind hier nicht einschlägig. Auch gehören Rechtsanwälte nicht zum Kreis jener Selbständigen, die nach § 166 I RVO versicherungspflichtig sind.

Nach § 539 I Nr. 1 RVO sind gesetzlich unfallversichert "die auf Grund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnis Beschäftigten". Die übrigen Ziffern dieser Vorschrift sind hier ebenfalls nicht einschlägig. Gemäß § 539 II RVO sind ferner Personen versichert, "die wie ein nach Absatz 1 Versicherter tätig werden". Freie Mitarbeiter, die aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages als Selbständige tätig werden, können aber nicht über § 539 II RVO wie abhängig Beschäftigte Versicherungsschutz gegen Arbeitsunfälle verlangen, weil sie gerade nicht einem Arbeitnehmer vergleichbar sind (75). Selbständige Rechtsanwälte und ihre mittätigen Ehegatten können sich allerdings bei der zuständigen Verwaltungs- Berufsgenossenschaft freiwillig versichern (76). (vergl. § 545 RVO).

In der Rentenversicherung der Arbeiter werden gemäß § 1227 I Nr. 1 RVO "alle Personen, die als Arbeitnehmer beschäftigt sind", versichert mit Ausnahme der Angestellten. Demenntsprechend werden in der Rentenversicherung der Angestellten "alle Personen, die als Angestellte ... beschäftigt sind", versichert (§ 2 I Nr. 1 AVG). Die übrigen Ziffern des § 2 I AVG sind hier ebenfalls nicht einschlägig, insbesondere gehören Rechtsanwälte nicht zum Kreis jener Selbständigen, die nach Nr. 3 bis 6 versicherungspflichtig sind.

Für die meisten betroffenen Rechtsanwälte sind die Vorschriften über die gesetzliche Rentenversicherung allerdings nicht mehr relevant. In sieben Bundesländern sind nämlich Rechtsanwaltsversorgungswerke eingerichtet worden (77). denen grundsätzlich alle Rechtsanwälte des jeweiligen Bundeslandes anzugehören haben (s. beispielsweise §§ 2 I RAVG NW, 10 Satzung des Rechtsanwaltsversorgungswerks NW (78)). Lediglich in Hessen und den Stadtstaaten gibt es noch keine solche Versorgungswerke (79).

Hinzuweisen ist noch darauf, dass, soweit bestimmte selbständige Berufe der Sozialversicherungspflicht unterliegen, sie im Gesetz aufschließend aufgezählt sind ( (80).

Soweit freie Mitarbeiter freiwillig versichert sind, haben sie die Sozialversicherungsbeiträge in ganzer Höhe selbst zu tragen (81); sie müssen auch selbst für ihre Bezahlung sorgen (82).

Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe erhalten nur "Arbeitnehmer" (§ 101 I AFG (83)). Gleiches gilt für das Konkursausfallgeld (§ 141 a AFG). Dafür sind aber auch nur "Arbeitnehmer" (84) beitragspflichtig (§ 168 I AFG). (85).

Nach der allgemein geltenden Vorschrift des § 7 I SGB-IV ist "Beschäftigung" "die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis".

Inwieweit die sozialversicherungsrechtlichen Begriffe denen des Arbeitsrechts entsprechen, soll noch untersucht werden (86). Das Arbeitsförderungsgesetz versteht "Arbeitsverhältnis" und "Arbeitnehmer" grundsätzlich im arbeitsrechtlichen Sinne, nicht im Sinne eines Beschäftigungsverhältnisses nach dem Sozialversicherungsrecht (87).

3. Abgrenzungstheorien

Da das Gesetz keine Definition des Arbeitnehmers enthält, dieser Begriff aber für das Arbeitsrecht - als dem Sonderrecht der Arbeitnehmer (88) - konstituierend ist, war und ist es Aufgabe der Rechtslehre und der Rechtsprechung, diesen Begriff zu umschreiben (89). Hierzu sind zahlreiche Versuche unternommen worden, die zu beschreiben den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Diese haben aber keinen allgemein anerkannten Begriff des Arbeitnehmers hervorgebracht (90). Näher eingegangen werden soll daher lediglich auf einige interessante Definitionsversuche, die von unterschiedlichen Ansätzen ausgehen.

a) Die sogenannte Eingliederungstheorie

Die sogenannte Eingliederungstheorie wird hauptsächlich von Nikisch (91) vertreten. Dabei gründet er seine Lehre auf Gedanken Otto von Gierkes, Heinz Potthoffs und Erich Molitors (92).

Nikisch geht davon aus, dass dem Arbeitsrecht ein Lebenstatbestand von ausgeprägter Eigenart zugrunde liegen müsse, weil anders nicht zu erklären wäre, wie es zur Ausbildung eines so umfassenden Sonderrechts kommen konnte (93). Dieser Lebenssachverhalt liege darin, dass der Arbeitnehmer in den Herrschaftsbereich des Arbeitgebers eintrete und sich der dort bestehenden Ordnung der Arbeit unterwerfe (94). Er arbeite dann unter fremder Leitung und mit den dafür bereit- gestellten Mitteln. Auf diese Weise werde er zum Glied eines größeren Ganzen, verliere damit seine Selbständigkeit und werde dem Arbeitgeber dienstbar, der seine Arbeitskraft für seine Zwecke verwende (95). Diese Eingliederung in den Herrschaftsbereich des Arbeitgebers nehme dem Arbeitnehmer zwar seine Selbständigkeit, erzeuge aber die persönliche Verbundenheit, aus der der gesetzliche Schutz des Arbeitnehmers resultiere (96).

Auf den Streit mit der von ihm sogenannten Vertragstheorie, in welchem Nikisch die Ansicht verficht, die Eingliederung sei auch bei nichtigem Arbeitsvertrag ausreichende Grundlage für Begründung eines Arbeitsverhältnisses (97), braucht hier nicht eingegangen werden (98).

b) Die Dispositionsmöglichkeitsverlusttheorie

Eine von Wiedemann (99) begründete und insbesondere von Lieb (100) vertretene Theorie findet den Anwendungsgrund des Arbeitsrechts im Verlust der Dispositionsfähigkeit des Arbeitnehmers über seine Arbeitskraft.

Das entscheidende, rechtfertigende Kriterium für die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft ergibt sich nach dieser Lehre aus der Frage, ob diejenige Person, um deren rechtliche Qualifikation es geht, noch die Möglichkeit eigener unternehmerischer Disposition über ihre Arbeitskraft hat, oder ob diese Möglichkeit auf den Auftraggeber, der dadurch zum Arbeitgeber wird, übergegangen ist (101).

Die auf Dauer angelegte fremdnützige Beschäftigung soll dem Arbeitnehmer die Möglichkeit eigener Teilnahme am Marktgeschehen nehmen (102), so dass er über seine Arbeitskraft nicht mehr selbständig disponieren kann (103). Dieser Verlust eigener Dispositionsmöglichkeit bedingt die Unfähigkeit des Arbeitnehmers zur Daseinsvorsorge für die Wechselfälle des Lebens (104) und damit seine Schutzbedürftigkeit (105). Auf der anderen Seite erweitern sich die unternehmerischen Chancen des Arbeitgebers, was es rechtfertigt, ihn mit dieser Daseinsvorsorge zu belasten (106).

Diese Lehre ist allerdings mit dem eingestandenen Manko behaftet, dass sie Fälle nicht recht zu erfassen mag, in denen Tätigkeiten, die man schon von der Lebensanschauung her ganz zweifellos zum Arbeitsrecht rechnen würde, jeweils nur kurzfristig und möglicher- weise auch gegenüber mehreren Arbeitgebern ausgeübt werden (107).

Zudem geht die Lehre vom "Typ des abhängigen Lohnarbeiters" (108) aus, der die entsprechende Ausbildung und Erfahrung für eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit weder in seinem Werdegang noch in seiner eigentlichen Berufsausübung gefunden habe (109).

Hier haben wir es aber mit Beschäftigten zu tun, deren Ausbildung sie auch zu selbständiger Tätigkeit befähigen soll und die Tätigkeit in einem Beschäftigungsverhältnis zum Teil als nur vorübergehend ansehen. Andererseits sind diese Beschäftigten oftmals auf ihre Beschäftigung, vor allem auf das daraus fließende Entgelt dringend angewiesen, da ihnen die finanziellen Rücklagen für eine alleinige Tätigkeit in eigener Kanzlei fehlen (110).

c) Weitere vereinzelt vertretene Theorien

In neuerer Zeit haben Rancke (111) und Heuberger (112) versucht, neue Kriterien des Arbeitnehmerbegriffs bzw. des Arbeitsverhältnisses heraus zu arbeiten.

Nach Rancke sollen die wirtschaftlich- sozialen Existenzbedingungen und das Selbstverständnis der betroffenen Gruppe begriffskonstituierende Statusbedingungen des Arbeitnehmerbegriffes sein, wobei die empirisch exakte Erfassung und inhaltliche Füllung dieser Statusbedingungen nach sozialwissenschaftlich anerkannten Regeln zu erfolgen habe (113).

Heuberger sieht in der sachlichen Abhängigkeit das Kriterium des Arbeitsverhältnisses, wobei diese in der materiellen Abhängigkeit von sich verwirklichen- der fremder Organisations- und Risikobereitschaft bestehe; nicht "der Arbeitnehmer" sei abhängig, sondern die zu leistende Arbeit von der Existenz eines Arbeitgebers und dessen Disposition (114).

Interessant ist schließlich auch der Ansatz von Beuthien und Wehler, die als entscheidendes Kriterium die soziale Schutzbedürftigkeit im Sinne einer Unfähigkeit zur Daseinsvorsorge (115) ansehen und diese Schutzbedürftigkeit anhand des zeitlichen Umfangs der geforderten Tätigkeit zu bestimmen suchen (116).

d) Die Theorie von der "persönlichen Abhängigkeit"

Nach A. Hueck (117) sind Arbeitnehmer die aufgrund privatrechtlichen Vertrages oder eines ihm gleichgestellten Rechtsverhältnisses im Dienst eines anderen zur Arbeit verpflichteten Personen. "Arbeit im Dienst eines anderen" bedeutet dabei, dass eine "persönliche Abhängigkeit" vorliegen muss (118).

Diese Definition, der sich die Rechtsprechung (119) und die wohl herrschende Lehre (120) angeschlossen haben, sieht also in der "persönlichen Abhängigkeit" des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber das Charakteristikum, welches ihn vom freien Dienstnehmer unterscheidet. Danach unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstverhältnis) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete jeweils befindet (121). Zur Begründung wird angeführt, die persönliche Abhängigkeit sei einer der wesentlichen Gründe gewesen, die zur Entwicklung und zum Ausbau des Arbeitsrechts geführt hätten (122). Eine bloß "wirtschaftliche" Abhängigkeit soll weder erforderlich noch ausreichend sein (123).

Die persönliche Abhängigkeit soll darin bestehen, dass ein Arbeitnehmer fremdbestimmte Arbeit zu leisten hat, während der Selbständige, der Dienstverträge abschließt, in größerem Maße selbstbestimmte Arbeit leistet (124). Persönlich abhängige Arbeit soll derjenige leisten, der seine Arbeitskraft nicht wie ein Unternehmer nach selbst gesetzten Zielen verwertet, sondern seine Arbeitsleistung fremdnützig einem anderen zur Verwertung nach dessen Zielen überlässt (125) und aufgrund der Einbindung in die Organisation des Arbeitgebers keine eigene Daseinsvorsorge betreiben kann (126).

Das Abgrenzungsmerkmal der persönlichen Abhängigkeit ist allerdings nur ein relatives (127). Es ist nicht eindeutig, die Randbezirke sind fließend (128).

Für die Abgrenzung von Arbeitnehmern und "freien Mitarbeitern" soll es kein Einzelmerkmal geben, das aus der Vielzahl möglicher Merkmale unverzichtbar vorliegen muss, damit man von persönlicher Abhängigkeit sprechen kann (129). Es fehlt an einer Definition dieser Abhängigkeit (130). Es gibt nur Indizien dafür, ob eine Person als Arbeitnehmer angesehen wird (131). Arbeitsorganisatorischen Gesichtspunkten kommt hierbei eine besondere Rolle zu (132). Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt (133).

Letztlich kommt es auf die Würdigung aller Umstände des Einzelfalles an (134). Hierbei ist auch die Verkehrsanschauung zu berücksichtigen (135).

Aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit soll es unvermeidlich sein, die unselbständige Arbeit von der selbständigen typologisch abzugrenzen (136).

Die Indizien sind also nach der typologischen Methode zu würdigen; es ist wertend zu entscheiden, ob eine Gruppe von Personen wegen der von ihnen geleisteten Arbeit noch zu Arbeitnehmern zählt (137). Dabei kommt auch der sozialen Schutzbedürftigkeit des jeweiligen Mitarbeitertyps entscheidende Bedeutung zu (138). Die persönliche Abhängigkeit soll mit all ihren Indizien, aus denen heraus man sie schließt, helfen festzustellen, welcher Dienstleistende den sozialen Schutz des Arbeitsrechts genießen muss, wobei diese Feststellung letztlich der Richter zu treffen hat (139).

Der arbeitsrechtliche Schutz resultiert also aus einem entsprechenden Schutzbedürfnis, das, weil es individuell kaum feststellbar ist, typischerweise festzustellen ist, wobei an typische äußere Merkmale anzuknüpfen ist. In der Rechtsprechung ist allerdings auch eine Tendenz zur Einzelfallgerechtigkeit feststellbar. Den Umständen des Einzelfalles wird entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen.

Unter welchen Voraussetzungen ein Beschäftigter als persönlich abhängig anzusehen ist, kann also nicht abstrakt und allgemeinngültig bestimmt werden (140). Zwar lassen sich typische Anhaltspunkte zusammenstellen, die bei einer Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung eine Abgrenzung erlauben (141), der Kreis der Umstände des Einzelfalls, die zu berücksichtigen sind, ist aber offen (142). Dies erlaubt es der Rechtsprechung auch unter Bewahrung des Merkmales der "persönlichen Abhängigkeit" als Ausgangspunkt abweichende Ansätze der Literatur aufzunehmen und in den Entscheidungskontext mit einzubeziehen.

Letztlich handelt es sich bei der "persönlichen Abhängigkeit" um eine Metapher. Als Metapher hat dieser Begriff nicht die Kraft das Problem aufzulösen, sondern kann es nur beschreiben (143). Der Begriff bezeichnet nur ein "offenes" System, das der Rechtsprechung erlaubt, ergebnisorientiert im Einzelfall zu argumentieren (144).

Die Bestimmung der Rechtsnatur eines Beschäftigungsverhältnisses bleibt letztlich immer eine Einzelfallentscheidung, die kaum prognostizierbar ist (145). Kritisch kann hierzu angemerkt werden, dass die Rechtsprechung und die ihr folgende Lehre der Einzelfallgerechtigkeit in Grenzfällen auf Kosten der Rechtssicherheit den Vorzug geben.